Jubiläum der Passauer Künstlerin Helgard Beck

Große Schaffenskraft totz ihres tragischen Schicksals: die Malerin und Zeichnerin Helfgard Beck. © Repro Edith Rabenstein

 

Zum 85. Geburtstag und 55. Todestag: Schau in Obernzell

 

„Per aspera ad astra“ ist der Titel der aktuellen Ausstellung, die im Schloss Obernzell (Landkreis Passau) an die Passauer Zeichnerin und Malerin Helgard Beck erinnert. 2025 ist das Gedenkjahr ihres 85. Geburtstags und 55. Todestages.

In der hier präsentierten Ausstellung, die Johanna Schmid gut kuratiert hat, werden rund 30 Werke in Öl auf Leinwand oder Karton, Mischtechnik auf Papier, Aquarelle, Pastellkreide, Tuschfeder aquarelliert und ein Linolschnitt sowie ein Glasbild in Blei gefasst gezeigt. Die Arbeiten zeigen die Breite der Techniken, die die Künstlerin bewältigt hat. Johanna Schmid hat sie zu drei Themenkreisen zusammengefasst: Landschaft, Bildnis und Selbstbildnis, religiöse Thematik. Die Ausstellung geht bis 11. Mai und ist geöffnet von Di. bis So. 10 bis 17 Uhr; am Karfreitag und am 1. Mai ist geschlossen,

Als Kennerin von Becks Werken hat mich der Veranstalter, der Kunst- und Kulturverein Obernzell sowie die Schwägerin der Künstlerin, Gertraud Beck gebeten, bei der Vernissage die Laudatio auf die Künstlerin zu halten. Die Vernissage wurde musikalisch gestaltet durch Jazzklänge von Michael Beck und Albin Westenberger.

Hier können Sie sie lesen:

Zum 85. Geburtstag und 55. Todestag der Künstlerin Helgard Beck

 

„Per aspera ad astra“ heißt das Motto dieser Ausstellung, die an die Passauer Künstlerin Helgard Beck erinnert. Die lateinische Redewendung, die aus der Tragödie „Hercules furens“ (Der wildgewordene Herkules) des römischen Philosophen und Dramatikers Lucius Annaeus Seneca stammt, bedeutet: „Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen“.

Für die Künstlerin Helgard Beck hat Kuratorin Johanna Schmid das noch konkreter gefasst: „Durch Bitternis zu den Sternen“, so das Motto der Schau.

Bitternis – lassen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses heute gar nicht mehr gebräuchliche Wort in ihr Herz fallen und auf sich wirken. Denn dieses Wort beschreibt den Lebensweg der Helgard Beck sehr trefflich. Das Schicksal hat dieser Künstlerin ein übergroßes Maß an Bitternissen bereitet.

Wer mich kennt, der weiß, dass mich immer, immer, immer der Mensch hinter der Kunst interessiert. Lassen Sie uns also zunächst auf den Lebensweg von Helgard Beck blicken.

Biografie

Ihre Wiege stand in Krumau in Böhmen. Dort kam sie am 26. Mai 1940 zur Welt, „an einem sonnigen Sonntagmorgen“, wie ihre Mutter Wilhelmine Elisabeth Beck, geborene Stucht (* 24. Juli 1913 in Birken, † 1. Mai 2001 in Passau), in ihrem Tagebuch schrieb. Und: „Mit wieviel Freude habe ich diesem kleinen Wesen entgegen gelebt! Helgard war ein zartes, aber gesundes Kind mit großen dunklen Augen, die alles sehr interessiert.“ In der Veitskirche in Krumau wurde die kleine Helgard Doris getauft.

Eine weitere Station der jungen Familie war Linz, wohin der Vater, Julius Maximilian Beck (* 21. Mai 1907 in Wien, † 15. Dezember 1979 in Passau) als Buchhalter 1941 versetzt worden war. Ein Jahr, nachdem er 1942 zur Flakabwehr nach Wilhelmshafen einrücken musste und das zweite Kind, Sohn Werner (* 9. September 1943 in Linz, † 4. August 2011 in Passau), zur Welt kam, zog die Mutter zu den Eltern nach Aschaffenburg. Am 14. Januar 1946 übersiedelten die Mutter, deren Rufname Else war, und ihre zwei Kinder nach Passau zur Schwiegermutter in die Grabengasse Nr. 10, das Haus der Musikerfamilie Schmelz. Der Vater kam erst später nach und wurde Regierungsamtmann im Straßen- und Flussbauamt in Passau.

Leidensweg

Bereits in dieser Zeit begann das Martyrium der Helgard Beck. Sie bekam Krupp und Masern, Giftstoffe, die ihr im Rückenmark die motorischen Nervenzellen z. T. zerstörten. Es gab keine wirksamen Medikamente und keine ausreichende Ernährung. Von dort an blieb sie schwach. Trotzdem nahm sie im Alter von ca. 11 Jahren an einer Kinderverschickung nach Spanien teil, war 16 Monate dort, hatte Pflegeeltern, die beide bis zu ihrem Tod noch mit der Familie in Briefwechsel blieben. Nach der Volksschule in St. Nikola – 1954 erhielt sie das Entlassungszeugnis – ging Helgard Beck bis zu ihrem 14. Lebensjahr nach Niedernburg, damals Mädchenrealgymnasium mit Oberrealschule und Mittelschule. Sie besuchte die Mittelschule. In den Zeugnissen wird sie als sehr stilles, sehr zartes und krankheitsanfälliges Mädchen bezeichnet.

Bald begann ihr Leidensweg. Es machten sich Geh- und Gleichgewichtsstörungen bemerkbar. „Eine Grippe (wieder Infektionskrankheit) nahm ihr die letzte Kraft in den Beinen. Es wurde der Rollstuhl notwendig“, erinnerte sich die Mutter.

Gezeichnet hat Helgard wohl schon seit der frühen Kindheit. Ihre erste Lehrerin in Passau war Vicka Braun (1912–1991), die in Hacklberg ein Atelier hatte. Vor dem Schaufenster der Kunst- und Buchhändlerin Luise Schmid soll sie – so steht es in den Aufzeichnungen der Mutter angesichts einer Grünwald-Kopie – spontan gesagt haben: „Ich will auch eine große Malerin werden!“

Studium an Fernuniversität

1956 begann Helgard Beck ein Mal- und Zeichenstudium über 12 Semester an der Fernakademie Paul Linke, Karlsruhe. Am 15. Mai 1959, nicht einmal 19 Jahre alt, erhielt sie ihr Diplom von der Karlsruher Fernakademie Paul Linke e. K. mit der Bewertung „sehr gut“. 1961 erwarb sie sich ein weiteres Zeugnis für Übungsarbeiten. Der Akademie sollte sie bis zu ihrem Lebensende verbunden bleiben. Davon zeugt ein lebhafter Briefwechsel.

Die Krankheit hatte sie allerdings fest im Griff. Die Friedreichsche Ataxie wurde bei ihr diagnostiziert, die meist in der Pubertät beginnt; es ist eine fortschreitende neurologische Krankheit, die Koordinationsstörung, Störungen des Gleichgewichts und der Tiefensensibilität sowie verschiedenen anderen Symptomen hervorruft. Sie beeinträchtigt aber nicht die intellektuellen Fähigkeiten. Ab 1955 saß Helgard Beck im Rollstuhl und konzentrierte sich ganz auf ihr künstlerisches Schaffen.

Bewundernswert ist ihr Haltung. Sie schrieb: „Zeichnen und Malen ist Verwandlung all des Unfaßlichen in Gestalt, Zeichnen und Malen heißt Versinkenkönnen in alles Schaubare oder einfach: Lebendigsein. Ich bin ein Rollstuhlkamerad seit Jahren. Ich möchte allen, die wie ich von der Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbständigkeit und von einem Formwillen ergriffen sind, sagen, daß man sich gar nicht zu bedauern braucht. … Es gibt immer Wege. … Die Krankheit ist schließlich nur der Preis zu viel Schönerem.“

Da ist es wieder das Motto: „Per aspera ad astra“.

Ihre Sterne waren das Schönere, die Kunst, mit der sie ihre Emotionen ausdrücken konnte – und zwar auf vielfältige Weise.

Helgard Beck hat in der Fernakademie die Fertigkeit vieler künstlerischer Techniken erworben und sie auch ausgeübt. Eine besondere Fertigkeit und starke Ausdruckskraft erreichte sie in der Zeichnung. Während Helgard Beck in ihren Zeichnungen häufig kleinteilig und detailliert arbeitete, sind ihre malerischen Arbeiten großzügig und flächig angelegt. Ebenso wie die Zeichnungen tragen sie meist keine Titel, sind aber signiert (Beck) oder monogrammiert, haben oft keine Datierung.

Drei Werkgruppen

Helgard Beck, Schärdinger-Bruecke-Oel-auf-Leinwand, ohne Jahr. © Edith Rabenstein

In der hier präsentierten Ausstellung, die Johanna Schmid gut kuratiert hat, werden rund 30 Werke in Öl auf Leinwand oder Karton, Mischtechnik auf Papier, Aquarelle, Pastellkreide, Tuschfeder aquarelliert und ein Linolschnitt sowie ein Glasbild in Blei gefasst gezeigt. Die Arbeiten zeigen die Breite der Techniken, die die Künstlerin bewältigt hat. Johanna Schmid hat sie zu drei Themenkreisen zusammengefasst: Landschaft, Bildnis und Selbstbildnis, religiöse Thematik.

Landschaft ist die Werkgruppe in der Ausstellung, die sofort ins Auge sticht. Sie bearbeitete häufig Wassermotive, in der Ausstellung sehen Sie „Am Fluß“ oder „an der Ilz“ oder „Gruppe am Fluß“ und auch die „Schärdinger Brücke“ mit einem effektvollen Hell-Dunkel-Kontrast. Sie sehen auch eine in ihrer Farbigkeit bezaubernde „Winterlandschaft“ oder einen beeindruckenden „Waldweg“. Auffallend ist, dass sie häufig dunkle Bäume oder auch Menschen als Repoussoir-Element verwendete, um den Bildern Tiefe zu geben. Auch ist ihr ein gut ausformulierter Himmel wichtig. Dabei ist der Himmel oft sehr viel heller als Landschaft. Häufig arbeitet sie mit breitem Pinsel und einem pastosen, dicken Farbauftrag.

Helgard Beck, Winterlandschaft, Öl auf Leinwand, o.Jahr.© Edith Rabenstein

Helgard Beck konnte war ein guter Beobachter und konnte gut porträtieren. Berührend sind ihre Selbstporträts, in denen auch die Schwere ihres Schicksals Gestalt annimmt. Meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht, das Foto der jungen Helgard Beck zu betrachten: eine hübsche, hoffnungsfrohe junge Frau, die damals wohl noch nicht ahnte, welcher Weg sie erwartete.

Die religiöse Motivik zeigt z. B. den „Emaus-Gang“ und das in Blei gefasste Glasbild, das wohl die heilige Familie darstellt. Helgard Beck war ihr Glaube sehr wichtig; sie pflegte eine innige Freundschaft mit dem Passauer Pfarrer Anton Krumbacher.

Leihgaben der Schwägerin

Dass diese Ausstellung zustande kam, ist das Verdienst von Helgards Schwägerin Gertraud Beck, die die Bilder aus dem Nachlass zur Verfügung stellte. Die meisten sind hier, in der Obernzeller Ausstellung erstmals zu sehen! Sie ist es auch, die seit vielen Jahren, nach dem Tod ihres Mannes Werner, den Nachlass umsichtig pflegt und verwaltet. Meine Damen und Herren, ich denke, das ist einen Applaus für Gertraud Beck wert.

Am 5. November 1970 starb Helgard um 23.15 Uhr im Passauer Krankenhaus. Mutter Else hielt in ihren Erinnerungen fest: „Mit ihr ist ein Stück meines eigenen Lebens gestorben. Heimgekommen, schrieb ich in dieser Nacht die Zeilen für ihren Sterbezettel: Wie warst Du arm / Und doch so reich / In Deinem Schaffen, Geben / Dein Schicksal unermeßlich Leid / Und doch erfülltes Leben.“

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Lesen Sie, was Norbert Pree für die Passauer Neue Presse darüber berichtete: