Die Magie zweier Ausnahme-Künstler

Begeistert in Fürstenzell gefeiert: Schauspielerin Martina Gedeck und Harfenist Xavier de Maistre bei den Festspielen Europäische Wochen.© Edith Rabenstein

„Nuit phantastique“ mit Martina Gedeck und Xavier de Maistre bei den EW

Wenn eine der preisgekrönten Schauspielerinnen Deutschlands und einer der wichtigsten Protagonisten der Harfenwelt zusammen auftreten, dann kann nur etwas Erlesenes herauskommen. Schon der Titel der Veranstaltung der Festspiele Europäischen Wochen „Nuit phantastique“ in klang verheißungsvoll.

Martina Gedeck (Jahrgang 1961) und Xavier de Maistre (Jahrgang 1973), der bereits zum zweiten Mal Gast bei dem Dreiländer-Festival ist, machten im Zusammenspiel von Wort und Musik die Verheißung war.

Martina Gedeck

Martina Gedeck, aufgewachsen in Landshut und Westberlin, Ausbildung an der Akademie der Künste in Berlin, ist bekannt durch rund 140 Film- und Fernsehproduktionen, u. a. „Der bewegte Mann“, „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“, „Das Leben der Anderen“, „Single Bells“, „O Palmenbaum“, „Das Tagebuch der Anne Frank“, „Terror – Ihr Urteil“ und „Die Wand“, dazu kommen zahlreiche Theaterrollen im deutschsprachigen Theater. Daneben arbeitet sie als Hörbuchsprecherin, Erzählerin und Rezitatorin.

Xavier de Maistre

Xavier de Maistre, geboren in Toulon, hat eine sensationelle Karriere hingelegt. Schon als Kind wusste er, dass er Harfenist werden wollte. Dass gerade dieses Instrument häufig als „Fraueninstrument“ bezeichnet wurde, schreckte ihn nicht ab. Mit 22 Jahren wurde er bereits Soloharfenist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, 1998 gewann er den renommierten Harfenwettbewerb USA International Harp Competition in Bloomington, 1999 wurde er Soloharfenist bei den Wiener Philharmonikern und blieb dies 10 Jahre, bevor er eine Solokarriere begann. Seitdem ist er täglich unterwegs. Gerade erlebt er einen Konzert-Marathon – von Orange in Frankreich nach Bad Kissingen, Bad Brückenau, einen Tag nach dem EW-Auftritt in Passau steht das Rheingau-Musik-Festival an, wo er in Schloss Johannisberg auftritt.

Es war ein denkwürdiger Abend im barocken Festsaal des Klosters Fürstenzell am Mittwochabend. Das Programm ist dramaturgisch spannend aufgebaut.

Martina Gedeck – im schwarzen, bodenlangen Paillettenkleid – beginnt mit einem Ausschnitt aus Rainer Maria Rilkes „Duineser Elegie“ und leitet den Abend mit einem  anspruchsvollen Text und einem Hauch Melancholie ein: „Denn bleiben ist nirgends“. Ja, da ist das bekannte dunkle Timbre und die ausdrucksvolle Stimme, die zum Glück kein Störgeräusch der Mikrofonanlage beeinträchtigt. Sanft ist der Einstieg von Xavier de Maistre mit der „Arabesque No. 1“ von Claude Debussy. Das Klavierstück hat er für Harfe transkribiert, was er mit zahlreichen Solowerken oder Melodielinien der Musikliteratur macht. Auffallend hier, wie in den anderen Stücken, sind kunstvolle Verzierungen.

Ein Märchen mit sarkastischer Pointe

Mit Oscar Wildes Märchen „Die Nachtigall und die Rose“ trägt die Schauspielerin einen kompliziert gebauten Text vor, der sich fast ins Surreale steigert: Er erzählt die Tragödie einer Nachtigall, die  sich für einen jungen Studenten aufopfert, damit er seiner großen Liebe eine rote Rose schenken und sie zum Tanz führen kann; ihr aber ist die Gabe zu gering und sie will nichts von ihm wissen. Wehmütig und bitter heißt es „Gewiss ist die Liebe etwas Wunderbares“. Vom romantischen Ton des Anfangs moduliert Gedeck hart und distanziert den sarkastischen Schluss.

Dazu passt thematisch hervorragend das Werk Franz Liszts „Le Rossignol“ (für Harfe bearbeitet von Henriette Renié). Der Musiker formt das herrlich schnelle Geflatter der Nachtigall wie auch ihr lautes Geschwätz in wundervollen Arabesken und Kaskaden. Innerhalb des Abends ist es ein folkloristischer Ton, der gut zum Märchen passt.

Ein Klassiker von Goethe

Mit „Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe nimmt Martina Gedeck eine spontane Programmänderung vor. Dieser Klassiker, von dem Gedeck eine späte Fassung liest, ist nicht nur eines der schönsten Liebesgedichte. Gut akzentuiert von der Schauspielerin macht es die Spannbreite zwischen Lyrik und Dramatik erlebbar: „Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück!“

Der erste Teil endet mit „Recuerdos de la Alhambra“ von Francisco Tárrega. Xavier de Maistre zeigt auch hier, wie das berühmte Stück des spanischen Gitarristen und Komponisten transponiert auf Harfe klingt. Und es klingt  bei sehr schnellen Wiederholungen und viel Pedalarbeit herrlich nach Süden, nach plätschernden Brunnen und nach flirrender Luft.

Der  zweite Teil des Abends legt noch an Intensität zu: Da ist zum einen Albert Camus‘ Prosatext „Licht und Schatten“ aus seinem Frühwerk und „Granada“ aus der „Suite española“  von Isaac Albéniz im Arrangement für Harfe, glühend von Xavier de Maistre interpretiert.

Ein Höhepunkt sind die beiden Werke, die um den Mond kreisen: Auswendig und eindringlich mit gut gesetzten Pausen rezitierte Martina Gedeck „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff.

Xavier de Maistre musiziert dazu  „Clair de lune“ aus der „Suite bergamasque“ von Claude Debussy für Piano komponiert nach einem Gedicht von Paul Verlaine. Mit seinen eher gedämpften Klangfarben und feinen dynamischen Abstufungen passt es hervorragend zu Eichendorffs Gedicht.

Origineller Schlussakkord

Am Ende des Abends setzen die beiden Künstler einen originellen Schlussakkord. Die französische Harfenistin und Komponistin Henriette Renié hat von ihrem Landsmann Charles Marie René Leconte de Lisle die Ballade „Die Elfen“ vertont, wobei sich Text und Musik verschränken. Es ist eine schaurig-schöne Geschichte, die Goethes „Erlkönig“ ähnelt. Der schöne Ritter widersteht zwar den Verlockungen der zauberischen Elfen, aber aus seinem Hochzeitslager wird ein finsteres Grab: „In ihren Armen, da ist er schon tot.“

Hier können beide Künstler ihre Intensität noch einmal zeigen. Zum einen: Martina Gedeck, die sinnlich die Elfen schwirren lässt und geheimnisvoll bis hochdramatisch die Begegnung von Mensch und Geisterwesen interpretiert. Zum anderen: Xavier de Maistre, der noch einmal äußerst kunstvoll dem Publikum vorführt, welch bewegende Klangwelten mit der Harfe möglich sind. Fantastische Chromatik!

Publikum mit Feingefühl

Gebannt, still, vom ersten Moment an im magischen „Tunnel“ dieser Ausnahme-Künstler herrschte eine Stille und Ruhe im Saal, die etwas Zauberisches hatte. Es zeugt vom Feingefühl des Publikums, dass kein Klatschen diese Konzentriertheit unterbrach.

Nur Vögel gaben ihre zwitschernden Kommentare – das störte aber nicht, galt doch der Vogelgesang in der Romantik als Metapher für menschliche Gefühle.