Happy Birthday, Passauer Scharfrichter!

Walter Landshuter in seiner Wohnung im Scharfrichterhaus. ©Archiv Scharfrichterhaus

Walter Landshuter wird morgen 80 Jahre alt!

Walter Landshuter in den 1980er Jahren. © Archiv Scharfrichterhaus

Wenn ich so zurückdenke, kann ich schon sagen, dass ich zuerst durch das Passauer Stadttheater – schon als Kind – künstlerisch sozialisiert wurde. Und als Zweites durch das Passauer Scharfrichterhaus, das die Kleinkunst in die Dreiflüssestadt brachte. Ich war damals noch Schülerin, Niedernburgerin, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Bühne in der Milchgasse 2. Neugierig, wie ich damals war und heute noch ist, habe ich natürlich ins Scharfrichterhaus geschaut, das damals noch am Nachmittag offenhatte. Als Schülerin konnte man sich nur einen Kaffee oder einen Apfelsaft leisten. Die Atmosphäre war jedenfalls ansteckend. Da waren die zwei Gründer: Edgar Liegl, der den Bohemien gab, und – für uns Schülerinnen – sehr eindrucksvoll über die Welt parlierte. Und dann gab es noch Walter Landshuter, damals noch mit Vollbart. Er war damals der Stille, der Zurückhaltende. Er stand gern am Tresen, bediente und blickte oft finster und mürrisch. Und da war noch ein witziger Kellner, der es mit den Schülern gut meinte.

Am Stammtisch saß meist Walters erste Ehefrau. Wenn sie Schwammerl putzte, dann erhellte sich Walters oft mürrische Miene deutlich. Ebenso, wenn er ab und an von seiner Heimat Leopoldsreut im Bayerischen Wald erzählte.

Heimat Leopoldsreut und Internat

Dort wächst er bei seinen Großeltern auf im Gasthof „Zur luftigen Höh“ und hat eine unbeschwerte Kindheit. Zurück bei den Eltern und später im Klosterinternat ist es damit vorbei, das Kind wird schlechtbehandelt und sogar geschlagen. Freilich 1977 interessierten mich mehr die Geschichten seines Scharfrichter-Mitbegründers, der von der Künstlerwelt in Schwabing, von Literatur und Philosophie und von den Studenten erzählte. Schon damals wusste ich, dass ich in München studieren wollte.

Das Scharfrichterhaus verlor ich in den Münchner Jahren nicht aus den Augen, auch wenn ich die Passauer Künstler jetzt lieber im Münchner Fraunhofer sah, einen Steinwurf entfernt vom Institut für Theaterwissenschaft und dem Gebäude der Germanistik, wo ich tagtäglich war. Das Scharfrichterhaus blieb aber mein Lieblingslokal, wenn ich in Passau war. Die Atmosphäre hatte für mich eine Qualität gewonnen, die ich als Schülerin noch nicht so wahrnahm: die Architektur des wuchtigen Gemäuers, die vielen Künstlerbilder an der Wand. Die Thonet-Stühle mit der Caféhaus Atmosphäre – das bekam für mich eine neue Qualität. Und inmitten ein Walter Landshuter, der viel rackerte und sich freute, wenn jetzt auch mal ein Stadtrat und ein Bürgermeister den Weg ins vorher verpönte Lokal fanden. Immer, wenn ich da war, stand Walter hinterm Tresen. Man fragte sich schon: Wie schafft das der Mann?

Finanzielle Nöte

Von den finanziellen Nöten der Scharfrichterhaus-Begründer ahnten Außenstehende wohl nichts. Trotz Gründung des jährlichen Kabarett-Wettbewerbs mit der Vergabe des begehrten Scharfrichter-Beils und oft vollem Haus kämpfte Walter Landshuter und sein Mitstreiter mit finanziellem Defizit. Und immer wieder mit der großen Plage Passaus – dem Hochwasser.

Im Interview mit Walter Landshuter (r.) und Edgar Liegl in den 90er Jahren. © Archiv Passauer Neue Presse

Erst Jahre später – als ich schon Feuilletonredakteurin der Passauer Neuen Presse war und mehrere Interviews mit den beiden „Scharfrichtern“ führte –erschrak ich bei einem Blick hinter die Kulissen. Walter Landshuter und das Scharfrichterhaus taumelten am finanziellen Abgrund.

Mut und Fleiß

Wenn ich die Entwicklung bis heute betrachte, fällt mir immer das alte lateinische Sprichwort „Fortes fortuna adiuvat“ ein: Das Glück gehört den Mutigen/Tüchtigen – heißt das übersetzt. Mutig war es damals von Walter Landshuter, seinen sicheren und gut dotierten Job als Textilfachmann aufzugeben und in Passau eine Kabarettbühne mitzubegründen. Tüchtig war er alle Jahrzehnte, auch als sein Kompagnon Liegl seine Aktivitäten nach München verlegte.  Ohne Unterlass war er als Wirt und auch Taktgeber des Theaterprogramms bemüht. Ein personifiziertes Glück für das Scharfrichterhaus kam 1997, als Holzhändler und Kabarettfreund Matthias Ziegler das Haus kaufte und Bühne und Lokal in den durch den Ausschank getrennten Räumlichkeiten umdrehte. Auch legte er Wert auf eine anspruchsvolle und gute Küche, öffnete die oberen Räume für das Publikum und gründete eine Vinothek. Wirtschaftlich ging es bergauf. Walter Landshuter, nicht immer mit allem einverstanden, was so geschah, sieht dies heute jedenfalls als Glücksfall.

Nicht nur das inzwischen berühmt gewordene Scharfrichterhaus veränderte sich, sondern auch Walter Landshuter als personifiziertes Denkmal und Erzähler. Der struppige Bart fiel, der einstige Bartträger wurde heiterer, ausgeglichener, offener und toleranter. Einen großen Anteil hat daran auch sicher seine langjährige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau Doris Landshuter. Der liebevolle Umgang der beiden Miteinander ist offensichtlich. Auch wenn Walter Landshuter immer noch ruppig werden kann, wenn etwas in „seinem“ Scharfrichterhaus nicht so läuft, wie er will. Wie all das kam?  Ich habe mich besonders gefreut, dass er für den Passauer Almanach 2018, den ich herausgegeben habe, seine Erinnerungen niedergeschrieben hat: „Als die 68er nach Passau kamen. Der Mitbegründer des Passauer Scharfrichterhauses blickt zurück.“

Happy Birthday!

Lieber Walter, bleib wie Du bist! Engagiert für das Scharfrichterhaus, meist heiter, aber auch mal mürrisch! Und vor allem glücklich mit Deiner Doris! Happy Birthday von Herzen!