Paradestücke für einen Solisten

Farbenspiel und Nebelmaschine beim „Passauer Sommernachtszauber“ mit der Niederbayerischen Philharmonie. © Edith Rabenstein

„Passauer Sommernachtszauber“ bei den Europäischen Wochen

 

Russische Symphonik ist das Thema des „Passauer Sommernachtszauber“, den die Festspiele Europäische Wochen in Kooperation mit dem Landestheater Niederbayern als Programmpunkt der Burgenfestspiele Niederbayern veranstaltet haben. Zu Gast bei den EW war die Philharmonie Niederbayern am Freitagabend auf der Waldbühne der Veste Oberhaus mit ihrem Chefdirigenten Ektoras Tartanis und Solo-Violinisten Christian Scholl.

Gespielt wurde russische Literatur

Auf dem Programm standen zwei Blockbuster der russischen Literatur: Peter Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35 und Nicolai Rimski-Korsakows Scheherazade op. 35.

Das einzige Violinkonzert Tschaikowskys, bei seiner Uraufführung 1881 in Wien umstritten, gehört heute zu den beliebtesten Stücken im Konzert- und Musikbetrieb. Auch Aufnahmen von z. B. David Oistrach, Itzhak Perlman, Anne-Sophie Mutter oder Julia Fischer zeugen davon. Und: Es ist ein Glanzstück jedes Solo-Violinisten, wenn er es denn wegen der hohen technischen Anforderungen überhaupt spielen kann.

Christian Scholl ist seit 2020 Konzertmeister der Niederbayerischen Philharmonie. Als Solisten oder  Kammermusiker spielte er u. a. bei den Europäischen Wochen Passau, dem Liszt-Festival Raiding, dem Musiksommer Grafenegg, dem Schleswig-Holstein-Musikfestival, der Ruhrtriennale, den Dias da Musica Lisboa und dem Enescu Festival Bukarest. Als Gastkonzertmeister wurde er verpflichtet u. a. beim Bayerisches Staatsorchester, bei den Nürnberger Symphoniker und beim Wiener Kammerorchester. Er hat bereits mehrere CDs eingespielt.

Die Niederbayerische Philharmonie und ihr Chefdirigent Ektoras Tartanis.© Edith Rabenstein

Die Niederbayerische Philharmonie kann sich glücklich schätzen, dass sie in Konzertmeister Christian Scholl einen Geiger hat, der die komplizierte Partie brillant servieren kann, ohne von der Lyrik oder der Eleganz Abstriche zu machen. Die Geige ist hier der Star, der Christian Scholl mit großem technischen Können in ausladenden Kadenzen, schnellen Läufen und schwierigen Doppelgriffen huldigt. Gegen das Orchester muss er nicht ankämpfen. Mit dem Dirigenten Ektoras Tartanis ist er in engem Einvernehmen. Tartanis ist ein achtsamer Dirigent und führt Solist und Klangkörper behutsam und akkurat zusammen. Tartanis und die Niederbayerische Philharmonie entwickeln ein schlankeres Klangbild als sonst üblich, und doch ist es romantisch, aber nicht kitschig schwelgerisch.

Im zweiten Teil des Konzerts erklingt Rimski-Korsakows viersätzige „Scheherazade“, uraufgeführt 1888. Es ist das erste Dirigat des Stücks von Ektoras Tartanis. Er lässt schneller spielen, als man es sonst hört. Dadurch kommen die orientalischen Elemente sehr gut heraus. Tempi und Rhythmus sind fein ausbalanciert. Die Niederbayerische Philharmonie lässt eine federnde Eleganz hören und webt dichte  und prächtige Klangfarben. Der Komponist ordnet Scheherazade als Instrument die Solo-Geige zu. Hier lockt Christian Scholl beseelt, soll doch die schöne Erzählerin den grausamen Sultan besänftigen. Am meisten beeindruckt die Schiffbruchszene im letzten Satz. Da türmen sich vor dem Ohr Wassermassen im breit angelegten Accelerando auf. Beeindruckend dann die Bläsergruppe.

Licht- und Farbspiele in den Bäumen

Zur Programmmusik nach dem Märchen aus „1001“ Nacht konnte der Besucher Licht- und Farbspiele, entworfen von Bruno Hartl, in der Baumkulisse genießen. Herrlich, wenn der Thingplatz in knall-grüne  und dunkellila gefärbte Bäume verwandelt wurde. Manchmal waren die am Boden irrlichternden und auch blendenden Effekte aber zu viel. Dass sich hinter dem Zuschauer sehr viel abspielte, war allerdings unsinnig, denn als Zuschauer wollte man das Orchester nicht nur im Ohr, sondern auch im Blick haben. Die meisten Zuschauer waren jedenfalls sehr entzückt. Auch darüber, dass der vorhergesagte Regen nicht einsetzte. Doch auch für diesen Fall ist Vorsorge getroffen worden: Die EW haben die Turnhalle von Gymnasium und Realschule Niedernburg in ihre Pläne miteinbezogen. Dort waren auch die Künstlergarderoben.

Die technische Verstärkung des Orchesters war zunächst nicht ideal; die Bläsergruppen waren zu sehr verstärkt; man hörte deutlich die Nebengeräusche am Podium. Diese Einstellung wurde dann im Laufe des Abends korrigiert.

Ein musikalisches Zuckerl gab es noch: Die Zugabe spielten Christian Scholl und die Niederbayerische Philharmonie bereits vor der Pause, und man fühlte, dass das so ganz die Musik des Solisten ist: ein temperamentvoller Csárdás des Italieners Vittorio Monti – ein Tanz mit allem Sentiment at his Best! Jubel von den 800 Besuchern für den ausgezeichneten Solisten, der auf seiner Violine von J. B. Vuillaume von 1860 spielte.