„Klassik meets Pop“: Johannes Strate und Sebastian Knauer bei den EW in Passau
Lange Zeit waren E- und U-Musik im Konzertbetrieb auseinander dividiert. Als ob ernste Musik nicht unterhalten könnte und Unterhaltungsmusik nicht auch ernst sein könnte. In vergangenen Jahrhunderten war das beileibe nicht so. Nur zwei Beispiele: Da wurden Philipp Telemanns Musiken als Unterhaltung zum Essen gespielt. Und Georg Friedrich Händel komponierte „Die Wassermusik“ zum Amüsement des englischen Königs für eine Bootspartie auf der Themse.
Rund 750 Gäste Open Air auf Oberhaus
Heute sind die Grenzen offen. Im Konzertbetrieb und in den Köpfen. Man befruchtet sich gegenseitig. Wer das nicht akzeptieren will, der muss nicht hingehen. Wer offen und neugierig ist, der kann einen guten Abend haben. Rund 750 Gäste hatten einen ausgezeichneten Abend.
So geschehen beim Konzert „Klassik meets Pop – Beethoven & Revolverheld bei den 72. Europäischen Wochen Passau. Und das noch Open Air. Das Wetter-Wagnis ist am Thingplatz, von den EW Waldbühne genannt, auf Oberhaus geglückt. Es blieb trocken.
Gar nicht trocken war dagegen die Stimmung. Das lag an den beiden Hauptprotagonisten: Pianist Sebastian Knauer und Johannes Strate, Frontmann der Band Revolverheld. Zwei Größen auf ihrem jeweiligen Spielfeld. Der Abend bewies: auch zwei Größen auf einem Spielfeld.
Humorvolle Anekdoten
Der Abend war auch deshalb so unterhaltsam, weil er mit lockerem – und wohl durchdachtem und inszeniertem – Talk der beiden verbunden war, durch den die Besucher kleine Anekdoten aus ihrem Leben erfuhren. Köstlich, dass die beiden, die im selben Haus in Hamburg wohnen, sich in Jogging-Hose am Müllcontainer kennenlernten! Herrlich auch, dass Sebastian Knauer einmal von einer städtischen Bediensteten für den Fahrer von Johannes Strate gehalten wurde. Beide haben Humor: So erzählte Strate frei weg, dass er keine Noten lesen kann und leidenschaftlicher Werder-Fan ist. Knauer sprach von den Eifersüchteleien unter den Klassik-Musikern, die oft kaum miteinander redeten, während Strates Band eine geschworene Freundesgemeinschaft ist. Sympathisch auch, dass der Popmusiker gestand, dass er noch im Wald spielte, als Knauer schon als Jugendlicher Musikwettbewerbe gewann. Er freute sich auch, Gast der EW zu sein, lobte die persönliche Betreuung durch EW-Intendanten Dr. Carsten Gerhard und stellte zum Festival-Programm fest: „Ich bin der einzige von meinem Schlag hier“.
„Mondscheinsontate“ im Wettstreit mit Vogelkonzert
Der Anfang des Konzerts gehörte der Klassik. Sebastian Knauer spielte Ludwig van Beethovens „Klaviersonate Nr. 14 op. 27 Nr. 2 in cis-Moll“, besser bekannt unter Mondschein Sonate. Knauer zeichnet sich durch einen wundervoll zarten Anschlag zu Beginn aus, die Töne scheinen in die Natur raus zu schweben, die Melodienfolgen der rechten Hand sind prägnant, die Legato-Bögen schön ausformuliert. Insgesamt ist alles fließend und mit großer Transparenz gestaltet. Die Akustik ist – dank guter Technik – hervorragend ausgesteuert. Und Sebastian Knauer fand den „Wettstreit mit den Kollegen, die in den Bäumen sitzen“ das Besondere dieses Open-Air-Konzerts.
Arrangement von Fabian Richter

Dann geht es zusammen Schlag auf Schlag. Dass ein Weltklasse-Pianist wie Sebastian Knauer einen Popstar begleitet, darauf kann Johannes Strate zurecht stolz sein. Das gemeinsame Projekt wurde während der Corona-Zeit ersonnen. Möglich wurde dies erst, weil Fabian Richter eine Notation der Revolverlied-Hits erarbeitete, z. T. auch klassische Intermezzi reinschrieb, die die Arrangements sehr besonders machten. Dass die Lieder von Revolverheld dadurch sozusagen ein „neues Kleid“ erhielten war reizvoll. Johannes Strate hat sichtlich Spaß an der Interpretation der alten Hits und neuen Lieder, ebenso Musik der früheren US-Band Perl Jam („Jeremy“).
Es erklingen unter anderem: „Ich lass für Dich das Licht an“, „Halt Dich an mir fest“, „Lass uns gehen“, „Die Zeichen stehen auf Sturm“, „Zimmer mit Blick“, „Das kann uns keiner mehr nehmen“. Die Lieder haben meist weniger Schlagzahl als im Original, sind balladesker, ruhiger, eindringlicher. Am meisten zu Herzen – geht mir persönlich – das Lied für seinen Sohn: „Du bist einfach das Größte“.
Solides Streicherensemble
Im zweiten Teil des Abends verbinden sich die beiden Musiker mit einem soliden fünfköpfigen Streicherensemble: Annabell Dugast (1. Violine), Johannes Tentschert (2. Violine), Gabriel Uhde (Bratsche), Clara Eglhuber (Cello), Joao Vargas (Kontrabass), die einen dichten Klangteppich für den Pianisten und Sänger bzw. Gitarristen ausbreiten.
Klassische Themen verschmelzen mit der Popmusik. So erklingen Musiken u. a. von Eric Satie, Johann Sebastian Bach und Arash Safaian. Sebastian Knauer liebt amerikanische Filmmusik, hat die Komponistenfamilie Newman persönlich getroffen und spielte „Show the lamb“ des 16fach Oscar nominierten Thomas Newman.
Charmanter und gekonnter Konzertabend
Ja, die zwei, die aus dem Norden haben im tiefen Süden die Herzen des Publikums mit diesem charmanten und gekonnten Konzertabend gewonnen.
Wie sagte Sebastian Knauer zu Beginn: „Ich liebe Musik und andere Genres. Es gibt nur gute und schlechte Musik. Wir sollten zusammenhalten. Jedes Genre überlebt auch durch das andere.“
Dass diese technisch sehr aufwändige Veranstaltung überhaupt möglich wurde, ist der Sparkasse Passau zu verdanken, die das Konzert sich zum 200. Geburtstag zum Geschenk machte.