Glutvoller, bildkräftiger „Jedermann“

Philipp Hochmair (Jedermann) mit Deleila Piasko (Buhlschaft) © SF/Monika Rittershaus

Philipp Hochmair begeistert in der Titelrolle bei den Salzburger Festspielen

Ende August sind die 105. Salzburger Festspiele zu Ende gegangen. Nach 174 Aufführungen in 45 Tagen an 16 Spielstätten sowie 35 Vorstellungen im Jugendprogramm „jung & jede*r“ freut sich das Direktorium der Salzburger Festspiele wurde eine Auslastung von 98,4% erreicht, wie die Festspiele in einer Presseinformation bekannt geben. Die Festspiele besuchten 256.600 Gäste aus 88 Ländern, davon aus 49 außereuropäischen Nationen.

Gerade noch habe ich es in eine der letzten „Jedermann“-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen geschafft. Es ist bereits das zweite Jahr, dass das Stück von Hugo von Hofmannsthal in der Regie des Kanadiers Robert Carsen. Er ist ein international vielfach ausgezeichneter Sprechtheater- und Opernregisseur.

Die Vorgänger-Inszenierung von Michael Sturminger wurde früher als vorgesehen abgesetzt, denn ein Großteil des Publikums und wohl auch der Festivalleitung wollte das Spektakel, das in einer apokalyptischen Endzeit spielte, nicht akzeptieren.

Robert Carsen ist bekennender Hofmannsthal-Fan, hat schon mehrfach Strauss-Opern mit dem Libretto von Hofmannsthal inszeniert. Er hat übrigens auch das Regiebuch von Max Reinhardt, dem Festspielgründer und ersten „Jedermann“-Regisseur sehr ausführlich studiert.

Hervorragend choreografierte Massen

Der Regisseur nimmt den Text des Mysterienspiels, das im Untertitel „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ heißt, wohltuend genau. Er lässt sogar den Beginn am Ende nochmal sprechen.

Wer aber denkt, es sei nur eine Lehrgeschichte in Literatur, Religion und Moral, der irrt. Er stellt ein glutvolles, bildkräftige Werk auf die Bühne mit großen und hervorragend choreografierten Massen (Luis F. Carvalho) auf die Bühne.

Im Mittelpunkt steht Philipp Hochmair als Titelfigur. Schon einmal sprang der österreichische Schauspieler in dieser Rolle für den erkrankten Tobias Moretti ein. Dass er das Stück und sämtliche Rollen kennt, weiß man aus seiner Vita: Er hat eine verkürzte Musical-Version des „Jedermann“ geschrieben, mit der er seit einigen Jahren auf Tour geht. Hochmaier, der – so in Interviews – kein Zuhause hat, sondern in Hotels lebt, kennt man aber auch von exzentrischen Auftritten und einem sehr übersteigerten Selbstbewusstsein. Als Schauspieler in einer Rolle vermag sich von seiner privaten Extrovertiertheit zu lösen.

Vom Prasser zum reuigen Sünder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp Hochmair (Jedermann) und Christoph Luser (in einer Doppelrolle als guter Gesell / Teufel)
© SF/Monika Rittershaus

 

Dies schafft er auch erstaunlich gut in seiner Interpretation der Titelrolle. Er lässt sich sehr auf Carsens eher langsame Inszenierung vom Prasser zum reuigen Sünder ein und zeigt dies sehr subtil.

Ganz Protz am Anfang. Als lässiger Yuppie fährt er mit Chauffeur und goldenem Mercedes vor. Markant ist ein Auftritt beim Festmahl, das Carsen als Party mit Club-Atmosphäre und tollen Kostümen, entworfen von Luis F. Carvalho. Die vergnügungssüchtige Gesellschaft gruppiert sich um Tische, tanzt. Im Mittelpunkt ein Tisch auf dem Jedermann mit seiner Buhlschaft Tango tanzt. Beide tragen Brokat, er einen engen Anzug, sie ein schulterfreies, hochgeschlitztes Kleid. Das ist der beste Auftritt von Deleila Piasko , deren Rolle ja ohnehin klein ist. Die oft hysterisch inszenierten Schreie, wenn sie abgeht, hat der Regisseur gestrichen.

Sehr jung besetzter Tod

Dominik Dos-Reis (Tod), Ensemble © SF/Monika Rittershaus

Gewagt besetzt ist der Tod mit dem sehr jungen Schauspieler Dominik Dos-Reis. Originell: Als Kellner schenkt er Jedermann Rotwein ein. Und: in Vino Veritas – er ruft ihn ins Jenseits. Mit so großer Geste ins Publikum, dass jeder schaudert. Mit Jedermann ist wirklich jedermann gemeint. Als Epilog zitiert der Tod noch einmal den Anfang: „Wie unsere Tag und Werk auf Erden Vergänglich sind und hinfällig gar.“

In weiteren Rollen überzeugend: Andrea Jonasson, Christoph Luser, Luka Vlatković, Susanne Wende, Dörte Lyssewski, Arthur Klemt, Nicole Beutler, Deleila Piasko, Lukas Vogelsang, Daniel Lommatzsch, Kristof Van Boven, Regine Zimmermann.