Hollywood-Liebe gegen harte Realität

Noch glauben sie an ein Happy-end: Tom (Benedikt Schulz) und Cecilia (Katharina Schmierl). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

 

„The Purple Rose of Cairo“ am Landestheater Niederbayern

Die Illusionsfabrik Hollywood lebt vom Wunsch der Zuschauer(innen), dass sie dem Helden und  Traummann im realen Leben begegnen und er tatsächlich genauso wundervoll ist wie im Kino. Keiner wusste das besser als Woody Allan, geboren 1935 in New York, dessen Filme immer wieder von Träumen, Ängsten und Neurosen handeln. Damit wurde der einstige Stand-up-Comedian erfolgreich und berühmt. „The Purple Rose of Cairo“ aus dem Jahr 1985 gehört zu seinen raffiniert gebauten Filmen, der auf zwei Ebenen spielt. Gil Mehmert verfasste 2009 eine Übersetzung und Bühnenbearbeitung; die Tragikomödie hatte am Wiener Volkstheater ihre Uraufführung. Die Zuschauerin, die von ihrem Leinwandhelden Tom Baxter träumt, ist die Kellnerin Cecilia. An einem ihrer Kinoabende tritt der Autor und Forscher tatsächlich aus der Leinwand und verliebt sich in sie und sie in ihn. Der Zuschauer ahnt, dass das nicht gut gehen kann . . .

Eine Spiel-im-Spiel-Situation

Das Landestheater Niederbayern hat das Stück jetzt als erste Produktion der Saison im Schauspiel herausgebracht. Regisseurin Veronika Wolff belässt die Komödie in den 1930-er Jahren, als das Kino besonders viel Glamour hatte und die Menschen durch die Wirtschaftskrise besonders bedrückt waren. Die Regisseurin lässt die Geschichte raffiniert in Rahmen ablaufen, so dass der Zuschauer gleich mitbekommt, in welcher Spielebene man sich befindet. Gespielt wird auch aus den Reihen des Publikums, das damit quasi zum Kinopublikum wird. Zudem wird die Situation Film im Theater perfekt inszeniert. Ein Abspann wie im Kino, eine milchige Optik durch Gaze, eine Grabkulisse in Ägypten, ein Salon der High Society und ein Nachtclub, alles in Schwarzweiß oder abgeblassten Farben. Das Bühnenbild der realen Welt hat weitere Versatzstücke wie Bartisch, Altar, Stuhl, Straßenlaternen und wenige Requisiten wie Koffer, Musikinstrumente, Schaukel, Saloon-Türen. Ausstatterin Sabine Lindner hat auch in den sehr stimmigen Kostümen Fantasie und Realität in einen schönen Gegensatz gebracht.

Herzerfrischende Cecilia

Rauferei in der Kirche: Monk (Paul Behrens) hat Tom niedergeschlagen. Cecilia (Katharina Schmierl) ist fassungslos.© Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Vortrefflich charakterisieren  die Schauspieler die beiden Welten: Benedikt Schulz spielt als fiktive Figur Tom Baxter und als Schauspieler Gil Shepard in einer Doppelrolle. Der erste, ein süßer Forscher mit Tropenhut, der allerdings nur brav seine Rolle kann und in der realen Welt scheitert. Das Filmgeld ist nichts wert, beim Kuss wird nicht abgeblendet, das Essen kommt nicht aus der Kulisse. Schulz weiß das große Erstaunen darüber – ebenso wie seinen Schlag gegen den Ehemann von Cecilia – mit kindlicher Naivität zu geben. Auf der anderen Seite ist er der schnoddrige Schauspieler im Trench mit Burburry-Schal, der eine Reporterin volltextet, sich eine große Karriere erhofft und ein Liebesmonolog aus dem Film deklamiert, um Cecilia rumzukriegen. Die hat eine aufregende Zeit mit Tom in der fiktiven Hollywood-Welt erlebt – entscheidet sich aber für die Realität mit Schauspieler Gil. Katharina Schmirl ist eine herzerfrischende Cecilia –  im Plausch mit der Kollegin, bei dem die Filmstars wichtiger sind als die Bestellung eines Toasts, im sie überbordenden Gefühl, endlich „erkannt“ zu werden – und das gleich von zwei Männern. Sie ist fest entschlossen,  sich von ihrem arbeitslosen und brutalen Mann Monk zu trennen. Den spielt Paul Behrens als plumpen Proll, lieblos, oberflächlich und absoluter Gegenpol zu ihrem Traummann. In einer weiteren Rolle ist er als köstlicher Filmproduzent zu sehen: ein „Strippenzieher“, der an den Telefonstrippen hängt.

Überzeugend in mehrfachen Rollen: Antonia Reidel, Joachim Vollrath, Reinhard Peer, Tabea Günther, Friederike Baldin und Marcus Kerschagl als Double von Gil.

Club-Atmosphäre mit „Just A Gigolo“ und „Cheek to cheek“

Veronika Wolff, bewährte Regisseurin am Landestheater, die das auch musikalisch begabte Schauspielensemble gut kennt, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen, um die Club-Atmosphäre zu verstärken. Jochen Decker, auch als Schlagzeuger und Sänger bekannt, performt ein „Just A Gigolo“  und Stefan Merten singt zusammen mit Larissa Sophia Farr die Fred-Astaire-Rolle mit „Cheek to cheek“ – beides Evergreens aus den 1930er-Jahren.  Merten gestaltet auch bravourös die musikalische Schiene des Abends am Klavier.

Gut gemachtes Programmheft

Ein Lob verdient auch das gut gemachte Programmheft mit einer kleinen und hübsch gestalteten Geschichte des Films von Peter Oberdorf. Leider findet Hans Vogt (1890-1979) darin keine Erwähnung, einer der drei Berliner Erfinder des Tonfilms 1922, die die Patente in die USA verkauften. Vogt lebte ab den 1930-er Jahren in Erlau bei Passau, gründete eine Firma und meldete noch zahlreiche Patente an.

Das tragikomische Ende eines beeindruckenden Theaterabends: Am Ende steht Cecilia allein mit gepacktem Koffer vor der Kinoleinwand. Denn auch Gil hat ihr nur etwas vorgespielt. In Wirklichkeit ist er auch kein Traummann. Hollywood ist eben nicht das wirkliche Leben!

Weitere Vorstellungen:

Landshut

17.,18.,19. Oktober, 24. Oktober, 21., 22. November, 30., 31. Dezember, 10.,11. Januar, 8. Februar

Theaterkasse:

0871/9220833

theaterkasse@landshut.de

 

Passau

14., 15. November, 23. Januar, 15. Februar

Theaterkasse:

0851/9291913

theaterkasse@passau.de

 

Straubing

  1. Oktober

Karten:

09421/94469199

kulturamat@straubing.de