Humorvolle  „Nacht in Venedig“ am Landestheater Niederbayern

Hinreißende Ensembleszene mit (v.l.): Leo Körner (Balbi), William Diggle (Pappacoda), Emily Fultz (Ciboletta), Edward Leach (Herzog), Reinhild Buchmayer (Annina) und dem Chor. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Der Clou: Johann-Strauß-Operette in der Korngold-Fassung

 

Ein Mann zwischen zwei Frauen, Champagnerseligkeit und ein Spiel mit Masken und Verstecken, der Karneval in der Serenissima, unterlegt mit spritziger Musik  – das sind die oft klischeehaften Zutaten von „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß.  Am Samstag hatte die Operette aus dem Jahr 1883, die in Berlin uraufgeführt wurde, Premiere am Landestheater Passau.

Gastdirigent Kai Röhrig

Es war eine brillante Idee des Gastdirigenten, Prof. Kai Röhrig vom Mozarteum in Salzburg, musikalischer Leiter des Departements Oper & Musiktheater, eben nicht die lange und auch in weiten Teilen schwerfällige Fassung aus dem 19. Jahrhundert  zu wählen. Er entschied sich für die Fassung von Erich Wolfgang Korngold und Hubert Marischka aus dem Jahr 1923; Korngold hatte das Strauß-Werk stark bearbeitet und der Rolle des Herzogs mehr Gewicht gegeben. Vor einigen Jahren ist das Original am Landestheater, leicht gekürzt, gespielt worden.

Röhrig ist in Ostbayern kein Unbekannter:  Er hatte einige Jahre als Kapellmeister am Landestheater gewirkt und kam immer wieder als Gastdirigent zurück ans Landestheater. So hatte er in den vergangenen Jahren „Im Weißen Rössl“ von Ralf Benatzky  sowie Vorstellungen von Gaetano Donizettis „Der Liebestrank“ und Claudio Monteverdis „Orfeo ed Euridice“ dirigiert.

Gastregisseur Markus Bartl 

Bunt und schrill ist die Ausstattung, hier die Auftrittsarie vom Herzog von Urbino  (Edward Leach) mit dem Theaterchor. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Dass „Eine Nacht in Venedig“  zum rundum gelungenen Auftakt in die neue Saison wurde, das lag an mehreren glückhaften Komponenten.

Markus Bartl, freier Regisseur, ist ebenfalls kein Unbekannter in der ostbayerischen Theaterlandschaft. Von 2005/06 bis 2013 war er Oberspielleiter am Landestheater Niederbayern. Seine markantesten Inszenierungen waren Martin Sperrs „Jagdszenen aus Niederbayern“, Lucy Prebbles „ENRON“, Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“, William Shakespeares „Macbeth“ und „Depeche Mode“ nach dem Roman von Serhij Zhadan. Seit 2022 leitet Markus Bartl das Turmtheater in Regensburg.

Markus Bartl legte eine üppige Ironie über die Venedig-Klischees und wusste auch eine aktuelle Komponente einzubauen: Ist doch der Touristenandrang so groß, dass die Lagunenstadt teils Eintritt verlangt! In der Inszenierung ist der Chor die Urlauberschar, die in typischer Urlauber-Ausstattung und -Manier über das Eis verkaufende Fischermädchen genau so herfällt wie über das Büffet des Herzogs. Bunt und quirlig geht es da zu.

Bunte Ausstattung, aufwendige Regie

Bunt ist ohnehin ein Stichwort dieser Inszenierung (Ausstattung: Philipp Kiefer, der übrigens seit heuer den zweiten künstlerischen Vorsitz im Turmtheater innehat). Bartl kommt fast ohne Requisiten aus. Fadenvorhänge in den Primärfarben sowie Schwarz, Weiß und in Silber umgeben das Treiben. Je nach Lichtregie verwandeln sie farblich den Raum. Ein Podest ist eine zweite Spielebene und mutiert sogar – ferngesteuert – zur ebenfalls knallbunten Gondel. Weiß gedeckte Tische werden im zweiten Akt zu einer weiteren Spielebene. Insgesamt erinnert das Bühnenbild an die Pop Art – und damit an die Konsumgesellschaft. Die Touristen sind ein Symbol dafür. Und Venedig ist auch präsent. Der Löwe, das Wappentier Venedigs, prangt auf T-Shirts (quasi als corporate identity), und die Fahne der Stadt wird geschwungen.

Spielfreudiges Ensemble

Ihre „Schwipsarie“ war ein Höhepunkt des Abends: Emily Fultz als Zofe Ciboletta. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Bartl hat eine sehr aufwendige, bis ins Detail durchdachte Personenregie entworfen. Auch da legt er Ironie über die Klischees, die man von Italien, den Macho-Männern und den Italienerinnen, Typ Sophia Loren,  hat. Das Ensemble geht umwerfend spielfreudig mit. Köstlich spielt und singt Sopranistin Emily Fultz die „Schwipsarie“ der Zofe Ciboletta  – absoluter Höhepunkt des Abends.

Der Funke springt auf das Publikum über. Man muss einfach mitlachen. Drahtzieher des Stückes ist Caramello, den Roman Pichler mit weicher Tenorstimme als fast allzeit präsentes Faktotum und „Mann für alle Fälle“ darstellt.

Eine witzige Lösung ist die Illustrierung der Nummer „Die Tauben von San Marco“ Der Herzog (Eward Leach“ träumt von einem flotten Dreier mit seinen Turteltäubchen Ciboletta (Emily Fultz, l.) und Annina (Reinhild Buchmayer, r.), dahinter der Chor als Schneemänner. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Ein Mann  für gewisse Fälle gibt Tenor Edward Leach, der als Herzog seine Auftrittsarie in einem Pelz aus der Mottenkiste präsentiert. Korngold hat diese Partie (damals für den legendären Richard Tauber) mit Arien ausgestattet, die zum Teil Gassenhauer geworden sind. „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“ und „Treu sein, das liegt mir nicht“ – die schöne Tenorstimme des Briten lässt das Publikum dahinschmelzen. Ironisch gestaltet ist auch die Nummer „Die Tauben von San Marco“, wenn ihn Annina und Ciboletta umschwirren. Diese beiden Täubchen, mit denen er gerne  denen er  eine Menage à Trois in der Karnevals-Nacht hätte, machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Sopranistin Reinhild Buchmayer, mit dunkler Perücke und italienischem Temperament ausgestattet, gibt eine erfrischende Fischverkäuferin, makellos im Gesang.

„So ängstlich sind wir nicht“: Die älteren Senatorinnen (Chor), an der Spitze Agricola (Peter Tilch) marschieren beim Herzog (Edwad Leach, r.) auf. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Überzeugten in weiteren Partien: William Diggle als geschäftstüchtiger Fremdenführer und Koch Pappacoda, Peter Tilch als schusseliger Delacqua und forsche Agricola, Edina Bräu als liebeshungrige Senatorin Delaqua sowie als Senatoren Fritz Schneebauer und Edmund Graf; Leo Körner als Piseli und Balbi, bringt  zusätzliche Würze in den Abend als Amor, der seinen Herzog anschmachten darf und als Tänzer auftritt. Überhaupt ist der Abend unaufdringling und konsequent durchchoreografiert von Björn Bugiel. Beste Beispiele sind der zackige Aufmarsch der Seeleute, die unlustige Polonaise der Senatoren, der Auftritt der gar nicht ängstlichen Senatorinnen, die vielen Massenbewegungen des Chors als Touristen und die „eingefrorenen Bilder“. Der ebenfalls spielfreudige Chor (gute Einstudierung: Guiran Jeong) ist eine der Komponenten, die zu dem prickelnden Operettenabend beitragen.

Tempo, Sentiment und Charme

Über allem steht natürlich die Musik. Kai Röhrig führt die Niederbayerische Philharmonie mit raschem Tempo und trotzdem einer ordentlichen Portion Sentiment, die nie ins Zuckersüße abgleitet, durch die Partitur. Der musikalische Charme von Strauß und Korngold sprüht wienerisch und kann sich erfrischend und aufs Beste in Transparenz entfalten. Alle Künstler wurden mit großem Applaus bedacht.

Und nicht die Zeile aus der Operette vergessen: „Jetzt gebietet nur der Humor!“

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