Herrlich grotesker Operettenspaß

Wird gefeiert als Cervantes: der Regensburger Tenor Maximilian Mayer (Cervantes) mit Michael Laurenz (Graf Villalobos), dem Arnold Schoenberg Chor und Tänzern. © Werner Kmetitsch

Premiere: „Das Spitzentuch der Königin“ in Wien

 

Wien feiert 200 Jahre Johann Strauß Sohn. Das neu renovierte Theater an der Wien grub dazu eine längst vergessenes Stück aus: die Operette „Das Spitzentuch der Königin“, die am 1. Oktober in eben diesem Haus Premiere hatte.

Selbstmord machte Operettenerfolg zunichte

Die Geschichte des Dreiakters, der zunächst ein Riesenerfolg war,  erklärt, warum er in Vergessenheit geriet: Zwar ist sie Parodie auf den König Sebastian I. von Portugal, der sein Land in den Ruin trieb; doch ganz Wien wusste, dass mit der Hauptfigur Kronprinz Rudolf, seine liberalen Ideen und sein Lotterleben gemeint waren. Als er 9 Jahre später Selbstmord mit seiner Geliebten Mary Vetsera beging, verschwand die Operette in der Schublade.

Die Handlung ist ziemlich dürftig: ein König, der keinen Spaß am Regieren hat, reichlich außereheliche Beziehungen pflegt und leiblichen Genüssen wie der Trüffelpastete zugeneigt ist.

Die Musik ist alles andere als dürftig. Der Operettenkönig hat ein reiches Füllhorn an musikalischen Ideen hier ausgeschüttet. Am bekanntesten wurde der Konzertwalzer „Rosen aus dem Süden“, häufig zu hören beim „Neujahrskonzert“, und Trüffel-Couplet.

Witz und Ironie wie von Offenbach

Regisseur Christian Thausing setzt ganz auf die vielfarbige Musik und macht seine Produktion zu einem herrlich wienerischen Operettenspektakel, über dem Witz und Ironie eines Jacques Offenbach schweben.  Bemerkungen über den „Volkskanzler“ oder „Ibiza“ erinnerten auch an die Offenbachiaden, dominierten aber zum Glück nicht.

Alles ist in Bewegung

Bewegung ist die Losung des Abends. Dafür stehen als Bühnenbild ein riesiges Karussell, das mehrere Spielebenen bietet, und eine Drehbühne, die geschickt eingesetzt wird. Und überhaupt: Alles ist stets in Bewegung: eine choreografische Meisterleistung von Evamaria Mayer.

Skurriler Charakter

Diana Haller singt die Hosenrolle (König) mit Tänzern. © Werner Kmetitsch

Kutsche und Kostüme sind aufwändig, prächtig, bunt und schrill (Ausstattung: Timo Dentler und Okarina Peter). Die Chorsänger des präzisen Arnold Schoenberg Chors (Einstudierung: Erwin Ortner) sowie Statisten dürfen in Tiermasken schlüpfen und tanzen. Sie geben der Inszenierung einen skurrilen Charakter. Freilich ist da manches überdreht wie der Stierkampf mit Zitaten aus „Carmen“, aber alles in allem doch stimmig.

Regensburger Tenor Publikumsliebling

Die Sänger gingen diesen Weg spielfreudig mit. Freilich: Bei so viel Turbulenz ging manche Gesangslinie unter, waren Feinheiten bisweilen kaum zu hören. Es überzeugten:  Michael Laurenz als Premierminister Graf Villalobos, der trotz seines Unfalls bei der Generalprobe wieder munter auf der Bühne stand; der Regensburger Tenor Maximilian Mayer, der als Cervantes sein Debüt am Theater an der Wien gab und zum Publikumsliebling an diesem Abend avancierte; Sopranistin Elissa Huber, die mit Spitzentönen und Trüffelpastete ihren Mann zurück erobert.

Am Pult stand der junge griechische Dirigent Martynas Stakionis, der das Wiener KammerOrchester sicher durch die manchmal doch konfuse Partitur führte.

„Das Leben ist ein Ringelspui“

Aufwändige Operette mit Maximilian Mayer (Cervantes), Beate Ritter (Donna Irene), Elissa Huber (Die Königin), Alexander Strömer (Marquis de la Mancha), Marquise von Villareal (Regina Schörg), Michael Laurenz (Graf Villalobos), István Horváth (Don Sancho) und dem Arnold Schoenberg Chor. Maximilian Mayer (Cervantes), Beate Ritter (Donna Irene), Elissa Huber (Die Königin), Alexander Strömer (Marquis de la Mancha), Marquise von Villareal (Regina Schörg), Michael Laurenz (Graf Villalobos), István Horváth (Don Sancho), Arnold Schoenberg Chor. © Werner Kmetitsch

Geistreiche Regieeinfälle toppten das turbulente Geschehen: So ließ Thausnig den Dichter Cervantes, der von Spanien nach Portugal geflohen war, zu Beginn an den zu Statuen erstarrten Protagonisten vorbeigehen. Erst der Dichter erweckt sie quasi zum Leben. Dem Dichter gehört auch das letzte Bild, als sich das Karussell in ein Windrad verwandelt – gegen das Cervantes Zeit seines Lebens kämpft.

Ein anderer Dichter wird von Johann Strauß und seinen Librettisten augenzwinkernd mit einbezogen: Für das Spitzentuch der Königin stand Shakespeares Taschentuch der Desdemona Pate – allerdings ohne tödlichen Ausgang. Das getrennte Königspaar versöhnt sich.

„Das Leben ist ein Ringelspui“, sang Hermann Leopoldi. Und: jeder steigt ein und aus, wann es gerade passt. Ein besseres Bild hätte man für die Wiener Gesellschaft mit dem Prater vor der Nase wohl kaum finden können, für die damalige Welt  wie für die heutige. Der Regisseur hat die Operette ist in keiner Zeit verortet.

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