Lulu: Thriller und Liebesdrama

Das spielfreudige Ensemble des Landestheaters (v.l.): Peter Tilch (Dr. Schön), Edward Leach (Alwa), Roman Pichler (Prinz), Natasha Sallès (Lulu), Sabine Noack (Garderobiere), Franziskus Rohmert (Theaterdirektor). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Oper von Alban Berg am Landestheater Niederbayern

 

Sie nennen sie Eva, Mignon, Nelly oder Lulu – ganz wie es ihnen beliebt. Lulu am Landestheater Niederbayern ist ein Spielball der Männer und der männlich auftretenden Gräfin, die sie ganz nach ihren Wünschen ausstatten: als kesses Ballettmädchen, feine Dame in Blau, als elegante Hausherrin im roten Negligé, als glitzerndes Showgirl oder als offenherzige Prostituierte. Wenn es kein echtes Kostüm gibt, dann eines aus Papier, wie man es aus der Kindheit kennt – für sogenannte Anziehpuppen zum Spielen. Und die Männer spielen am liebsten Ball. So wird diese Lulu ein Spielball für Männerfantasien.

Intensives Klangbild

Das Landestheater Niederbayern traut sich was! Es setzt dieses sehr komplexe Werk des österreichischen Komponisten Alban Berg (1885-1935) auf den Spielplan. Am Samstagabend war Premiere im Fürstbischöflichen Opernhaus.  Keine leichte Kost, sowohl was die Musik als auch das Sujet betrifft. Der Schüler von Arnold Schönberg, dem Schöpfer der Zwölf-Ton-Musik,  komponierte ebenfalls in dieser Technik, gab ihr jedoch sein eigenes Gepräge. Wer sich eingehört hat, kann viele kleine musikalische Formen erkennen, ja sogar Tanzsequenzen und Leitmotive.

„Lulu“ am Landestheater wurde erst möglich, seit es die reduzierte Fassung für Soli und Kammerorchester sowie der Neufassung des dritten Aktes von Eberhard Kloke (Jahrgang 1948) aus dem Jahr 2010 gibt. Eine neue musikalische Farbe kam hinzu, indem er das Akkordeon im dritten Akt einsetzte.

Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman dirigiert beherzt. Trotz der klein besetzten Orchesterfassung entwickeln er und die Niederbayerische Philharmonie ein intensives und emotional dichtes Klangbild. Mitgewirkt hat auch der österreichische Komponist Peter Wesenauer, der musikalische Assistenz leistete.

Szenerie aus den 1920er Jahren

Intendant und Regisseur Stefan Tilch lässt die Geschichte der Lulu, die Berg aus den beiden Tragödien „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ geschöpft hat, in einer düsteren Szenerie in den 1920er Jahren spielen. In einem Klinker-Bau mit wenigen Requisiten wie Stühle, Tisch, Ottomane, Staffelei, Matratze – und das sich durch alle Akte ziehende Porträt der Titelfigur – zeigen den Aufstieg und Fall der Lulu: vom gut bürgerlichen Ambiente eines Medizinalrats und Dr. Schön bis zur leeren Vorhalle vor dem Hinterzimmer zu ihren sexuellen Dienstleistungen. Die Kostüme sind sprechend, verweisen auf die soziale Stellung der Agierenden. Die treffende Ausstattung stammt von dem britischen Duo Philip Ronald Daniels & Charles Cusick Smith. Durch eine gut eingesetzte Lichtregie werden packende Effekte gesetzt.

Lulus Männer sterben am Ende der Szenen. Da lässt sich Regisseur Tilch einen netten Gag einfallen, lässt sie wieder aufstehen und in einem eingefrorenen Standbild mit Lulu posieren. Das Tableau löst sich dann in einem lebhaften Gezerre um die Begehrte auf (Choreografie: Sunny Prasch).

Fulminantes Rollendebut

Lulu (Natasha Sallès) mit Dr. Schön (Peter Tilch).
© Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Mit Natasha Sallès in der Titelpartie hat das Landestheater eine ideale Lulu gefunden. Die brasilianische Sopranistin, die  Ensemblemitglied am Theater Freiburg ist, gab ihr fulminantes Rollendebut mit Lulu. Sie zeigt eine mädchenhafte Lulu. Die koloraturstarke Sängerin wächst über sich hinaus. Glasklar ist ihr Sopran, intensiv ihr Spiel. Von der ersten bis zur letzten Sekunde hat sie eine faszinierende Bühnenpräsenz. Berückend schön sind ihre Kantilenen.

Und dann kommt Jack the Ripper

Bariton Peter Tilch gelingt es wunderbar, die Komplexität des Charakters von Dr. Schön aufzufächern, der um die zerstörende Kraft des Eros weiß und doch bis zuletzt die Fäden seiner Puppe in der Hand hält. Als legendärer Londoner Frauenmörder Jack the Ripper wird er Lulus letzter Freier im East End sein. Sängerisch präsentiert Tilch diese sehr anspruchsvolle Partie glut- und kraftvoll.

Szenenapplaus für Alwa und Lulu

Lulu (Natasha Sallès) mit Alwa (Edwrd Leach). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Sohn Alwa – ein Alter Ego des Komponisten –  ist der schwärmerische junge Gegenpart. Tenor Edward Leech verleiht ihm temperamentvolle Leidenschaft und vokale Eleganz. Alwas Liebesspiel mit Lulu ist die einzige Szene, die Szenenapplaus an diesem Abend bekommt.

Reinhild Buchmayer interpretiert die lesbische Gräfin Geschwitz vor allem im Schlussbild sehr intensiv.

Ein Schuss Skurrilität

Albin Ahl bringt durch Varieté-Kostüme und dezidiertes Posing Schwung und einen Schuss Skurrilität in die Inszenierung, er begeistert mit einem warmen und flexiblen Bass.

In weiteren Rollen überzeugend:  Stefan Stoll als asthmatischer Schigloch; Roman Pilcher als eifersüchtiger Maler, Prinz und Freier; Sabine Noack als verliebter Gymnasiast und Garderobiere; Franziskus Rohmert als entrüsteter Medizinalrat, Theaterdirektor und Professor; Stefan Metzger als tattriger Kammerdiener und August.

Am Ende darf Lulu ihr schwarzes Unterkleid gegen ein weißes tauschen – die Farbe der Unschuld.

Die Erstaufführung von Alban Bergs „Lulu“ am Landestheater Niederbayern zeigt die Oper als großartigen Thriller und tragisches Liebesdrama.

Unbedingt ansehen!

 

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11., 16., 17., 13. Mai

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