Mozarts „Zauberflöte“ bei den Salzburger Festspielen
Mit Spannung wurde das Dirigat von Joana Mallwitz erwartet. 2020 Jahr debütierte sie bei den Salzburger Festspielen mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Così fan tutte“. In diesem Jahr dirigierte sie „Die Zauberflöte“ des Salzburger Meisters. Es ist ein Vergnügen ihr zu zusehen: Glasklar hat sie die Partitur analysiert; ein schnelles, doch nicht hastiges Dirigat legt sie an den Tag. Die Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg, die 2023/24 Künstlerische Leiterin und Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin wird, fühlt sich wohl mit Mozart, das ist zu spüren. Und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die Wiener Philharmoniker mit ihr. Und nicht zuletzt das Publikum fühlt sich wohl mit ihr. Ovationen gibt es für sie an diesem Abend im Haus Mozart.
Eine Rahmenhandlung für die Oper
Die amerikanische Regisseurin Lydia Steier fokussierte und straffte ihre „Zauberflöte“ von 2018. Sie lässt die Oper in zwei Aufzügen in einem Setting des Ersten Weltkriegs spielen: Eine große Drehbühne zeigt ein gutbürgerliches Haus mit der Bel Etage im 1 Stock, darunter die Küche und als dritte Spielebene die Straße. Sie bettet die Oper in eine Rahmenhandlung: Es ist ein Familienstück, das der Opernbesucher während der Ouvertüre mimisch erlebt. Eine streitende Familie, in der die Kinder ins Bett geschickt werden. Und der Opa (Roland Koch) liest ihnen die Geschichte von der „Zauberflöte“ vor.
Drei Wiener Sängerknaben als Seelentröster
Die Knaben – strumpfsockig und in Nachthemden – mit Bär im Arm werden sogartig hineingezogen und erleben die Geschichte am Rande mit. Eine witzige Idee, die durch drei exzellente Wiener Sängerknaben bestens umgesetzt werden. Schade, dass die Namen im Programmheft nicht genannt sind. Die Kinder laufen mit ihrem Erzähler durch die Szenen, sind Staunende, Ängstliche und Erfreute, wirken manchmal als Kommentatoren, manchmal als Seelentröster.
Ein Altherrenclub mit Anzug, Melone und Zigarre
Lydia Steier steckt Tamino in eine k.u.k.-Uniform. Der Schweizer Tenor Mauro Peter ist mehr heldisch als lyrisch und gibt einen forschen Prinzen. Sarastros Männerbund ist ein Altherren-Club mit Melone, Anzug und Zigarre. Tareq Nazmi hat eine ideale Lage für Sarastro und eine mächtige Bühnenpräsenz. Nur die Königin der Nacht darf noch etwas Märchenhaftes haben, wenn sie in einem riesigen Kleid, das aus der bürgerlichen Tischdecke erwächst, gegen den Himmel schwebt. Jasmin Delfs hat eine metallische Sopranstimme mit herrlichen Koloraturen und legt ihre Rolle zickig an. Auch die Riesenschlange assoziiert noch die Märchenelemente des Librettisten Emmanuel Schickaneder, ebenso der Auftritt von großen Schmetterlingen. Die Inszenierung changiert zwischen Märchenelementen und Kriegswirren. Die drei Damen erschießen den Drachen, der dem Barocktheater entsprungen scheint; Übergroße Schmetterlinge bevölkern die Bühne, Riesen-Teddies symbolisieren die Kinderwelt; ein Chor-Ballett von bunten und frechen Früchtchen ist ein hübsches Märchenelement.
Papageno und Papagena sind unter Wert verkauft
Die Handlung um das lustige Paar Papageno und Papagena gerät allerdings sehr steif. Er hat sein Federnkleid verloren, sie ist Köchin. Beide Rollen werden unter Wert verkauft. Das Komödiantische geht verloren, auch wenn die alte Papagena mit einem Mann besetzt ist (Stefan Vitu). Stimmlich überzeugen jedoch Michael Nagl und Maria Nazarova.
Dafür sind die Sklaven in Sarastros Burg sehr komisch, wirken wie die wildgewordenen „Sieben Zwerge“ oder wuselnde Heinzelmännchen, die dienstbaren Geister aus den Märchen.
Pamina trifft ihren Kriegshelden und emanzipiert sich
Die „Prüfungen“ durchschreitet Tamino an der Front mit schwer verletzten Soldaten, Kriegsgeschehen läuft als Schwarzweißfilm über die Kulisse des mehrstöckigen Hauses. Man assoziiert, dass der Vater, der während des Familienstreits Zeitung lies und plötzlich erschrocken rausrennt, gelesen hat, dass Krieg ist. Sarastro tritt am Ende wie ein erfolgreicher Kriegsherr auf. Pamina, Regula Mühlemann, trifft ihren Helden in der Kriegsszenerie. Man könnte auch sagen: Ein behütetes Mädchen emanzipiert sich. Die Sopranistin darf ihre Rolle emotional ausleben, ja jeder Ton dieser agilen Stimme ist mit Gefühlen und Sinnhaftigkeit hinterlegt.
Der Bruch zwischen Märchenwelt und Krieg ist hart. Doch die Inszenierung ist schlüssig und hat zudem Unterhaltungswert. Nicht zuletzt durch die sehr präsenten Sängerdarsteller.