Klangwelt in kosmischer Schönheit

Haydns „Schöpfung“ bei den Europäischen Wochen Passau

 

Zwei Jahre haben EW-Besucher auf diese Aufführung gewartet: Joseph Haydns „Schöpfung“ mit dem Ensemble „L’arpa festante“ und dem Heinrich-Schütz-Ensemble (HSE) Vornbach unter der Gesamtleitung von Prof. Martin Steidler. Wegen Corona war das Chorleben völlig zum Stillstand gekommen. Proben waren verboten, Aufführungen sowieso.

Gesamtkunstwerk mit Theater, Bildender Kunst und Musik

Am Sonntag war es endlich so weit. Die Europäischen Wochen zelebrierten einen „Tag der Schöpfung“, indem es eine anrührende „Vigil“ mit dem Schauspieler Tom Bailey in der Jesuitengruft von St. Michael in Passau. Als Ich-Erzähler spielte er Assoziationen zu den 25 000 Tieren, die auf der „Roten Liste“ der bedrohten Tierarten 2019 standen. Eine anrührende Mahnung, wachsam gegenüber den Mitgeschöpfen zu sein. Neben dem Theaterstück war Bildende Kunst zu sehen, eine dreiteilige Videoproduktion der Künstlerin Virag Pazmany.

Der Höhepunkt dieses „Gesamtkunstwerks“, so Intendant Carsten Gerhard war am Abend die Aufführung der „Schöpfung“ in der vollbesetzten Studienkirche. „Freude“ nannte der Intendant das Stichwort des Abends, und die war den Musikern und dem erwartungsfrohen Publikum ins Gesicht geschrieben.

Nur eine Akteurin konnte der großen Freude an diesem Abend nicht folgen. Judith Spießer konnte einem sehr, sehr leid tun. Sie war krank, Schweißperlen auf der Stirn, der häufige Griff zur Wasserflasche taten dies sichtbar kund. Die Mühe beim Singen war zu hören. Doch alle waren froh, dass die Sopranistin, deren Rollen Gabriel und Eva waren, den Abend durchstand, was ohnehin nur ein Profi wie sie kann.

Bassbariton Krešimir Stražanac  gefällt in seinen Partien als Raphael und Adam. Er hat ein warmes Timbre, Geschmeidigkeit in seiner Stimme und lässt viele Farben hören.

Tenor Werner Güra hat eine gepflegte Stimme, ob seine Durchlagskraft aber bis in die hinteren Kirchenbänke gereicht hat, darf bezweifelt werden. Am Ende gesellt sich aus dem Chor noch Altistin Irmgard Schmalzbauer dazu. Der Zusammenklang der vier Solisten ist harmonisch; die Stimmen passen gut zueinander.

Kein gemütlicher „Papa Haydn“

Martin Steidler, Professor für Chorleitung an der Hochschule für Musik und Theater in München,  ist ein zupackender temperamentvoller Dirigent wie eh und je. Hellwach in jeder Sekunde, gestaltet er den musikalischen Ausdruck des Klangkörpers, mit dem er schon sehr oft zusammengearbeitet hat, akkurat und mit hohem Tempo. Da ist kein gemütlicher „Papa Haydn“, wie der Komponist oft genannt wurde, sondern ein ausdrucksstarker und agiler zu hören. Die Schöpfung der Tiere gelang dem Orchester sehr plastisch.

Steidler ist auch der Gründer des Heinrich-Schütz-Ensembles Vornbach, das ihm stets am Herzen lag und liegt. Dieser Chor hat sich wie Phoenix aus Asche, aus der lähmenden Corona-Zeit, erhoben und ist kraftvoll zurückgekehrt. Der gemischte und vielfach preisgekrönte Chor ist ein Ensemble aus einem Guss: beste Artikulation, Textgenauigkeit und feine dynamische Abstufung zeichnen diesen prächtigen Chor aus.

Haydns Klangwelt erstrahlte in der schön ausgeleuchtete Studienkirche unter den Blicken der steinernen Erzengel Raffael und Gabriel in ihrer ganzen kosmischen Schönheit.