Thomas Gottschalk – „Ein stets heiterer Satyr“

Verlegerin Angelika Diekmann überreicht den MiE-Award für Kunst an Thomas Gottschalk. © Manuel Birgmann/Passauer Neue Presse

Das sagt Markus Lüpertz über den Entertainer in Passau

 

Verleihung des „MENSCHEN in EUROPA“-Kunst-Award

Als schlagfertigen und spontanen Plauderer in bester Laune haben rund 450 Besucher den Entertainer Thomas Gottschalk  (72) im Medienzentrum in Passau am Mittwochabend erlebt. Dort verlieh ihm Angelika Diekmann, Verlegerin der Mediengruppe Bayern, den „MENSCHEN in EUROPA“-Kunst-Award. Die philosophische Laudatio auf Gottschalk hielt Künstler Markus Lüpertz (81), der dem Radio- und TV-Moderator das Talent bescheinigte, Zeit in Kurzweil zu verwandeln und für gute Laune zu sorgen.

Das will Gottschalk auch wenige Tage später für ein Millionenpublikum wieder tun: Am 19. November moderiert er in Friedrichshafen die ZDF-Show „Wetten, dass..?“ – sein Erfolgsformat im TV.

„Ich nehme diesen Preis dankend und zurecht an“, sagte der Radio- und Fernsehmoderator. Die Veranstaltung „Bühne frei für zwei Legenden“ moderierte die bekannte BR-Journalistin Anouschka Horn.

Hier einige der interessantesten Themen der zweistündigen Veranstaltung.

 

Laudatio von Markus Lüpertz

Maler und Bildhauer Markus Lüpertz hielt die Laudatio auf Thomas Gottschalk.
©Thomas Jäger/Passauer Neue Presse

Eine hintergründige und philosophische Laudatio hielt der häufig als „Malerfürst“ bezeichnete Maler, Bildhauer und Bühnenbildner Markus Lüpertz, der zur ersten Riege der zeitgenössischen Künstler Europas zählt. Von 1988 bis 2009 war Lüpertz Rektor an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Er war auf Gottschalks Wunsch als Laudator gewonnen worden. Die Reihe MENSCHEN in EUROPA hatte 2008 Markus Lüpertz mit drei großartigen Ausstellungen im Museum Moderner Kunst – Passau, der St.-Anna-Kapelle sowie dem Medienzentrum mit über 250 Werken präsentiert.

Hier Auszüge aus seine Laudatio: „Die üblichen Erwachsenenspiele sind sehr trostlos geworden. …Politik, die Frieden groß in ihr Panier schreibt und auch den Frieden will. Aber den Frieden nur über einen gewonnenen oder verlorenen Krieg definieren kann oder will.“

„Das Metier Fernsehen verglich Lüpertz mit einem Kamel. „Faust und Mephisto arbeiten hier Hand in Hand. . . In diesem Meer der Banalität ist Gottschalk tatsächlich eine Lichtfigur.  Er verliert nie seine Integrität, bleibt sich selbst immer treu, verrät nie sein Ich, während er beharrlich unaggressive, herrlich unsinnige, in ihrer ausufernden Unmöglichkeit fast mystische Spiele für Erwachsene hervorzaubert. . . Der schönste Erfolg dieser Spiele aber ist es, Menschen gemeinsam das scheinbar Unmögliche erleben zu lassen, das Lachen zu befeuern und einen Leichtsinn zu fördern, der das Miteinander schätzt. Erfrischend ist das – in einer Welt, die nur Spiele kennt, die etwas einbringen.“

„Ich will einen Mann loben, den ich kaum kenne, der mir aber immer bewusst gegenwärtig ist. Der für mich die Verkörperung eines Mediums darstellt, der dem Fernsehen einen menschlichen, einen positiven Glanz verleiht. Thomas Gottschalk sieht man gern. Man weiß, dass, wenn er auftritt, eine Heiterkeit, eine Fröhlichkeit, eine Unbefangenheit und eine gutgelaunte Intelligenz erscheint, die dabei nicht ohne hintergründigen Ernst agiert. Ich glaube, unbefangen zu spielen – fast wie in Kindertagen – ist ein unschätzbares Pläsier.“ Der Laudator sprach von „Glücksmomente, die verbinden.“ Lüpertz bezeichnete Gottschalk als heiteren, ironischen Satyr.“ Ich lobe gerne Thomas Gottschalk. Er ist immer seines Publikums gewiss. Lüpertz sprach aber  auch von einer Bürde, nie zu versagen, nie unglücklich sein zu dürfen. „Da muss der Schalk auf die Zähne beißen.“ Markus Lüpertz bescheinigte Thomas Gottschalk „das Talent,  Zeit in Kurzweil zu verwandeln und für gute Laune zu sorgen“.

 

Humor

Gottschalk: „In meinem Geschäft kannst Du dich nicht ernst nehmen. Ich weiß, dass ich Seifenblasen produziere, die zerplatzen. Die Bilder von Lüpertz dagegen hängen noch jahrzehntelang an der Wand.“

Lüpertz: „Humor entsteht erst, wenn man nicht nur über andere lacht.“

 

Kunst

Horn zitierte Gottschalk: „Der Mann hat Erfolg, also kann er kein Künstler sein.“ Gottschalk meinte zu dem Zitat: „Bei mir war das so. Das habe ich wahrscheinlich auf mich bezogen. Ich wurde immer missverstanden als Künstler, der ich nie sein konnte und nie sein wollte. Als Künstler musst Du ein Ausdrucksprogramm haben. Ich konnte weder singen, noch malen. . . Ich war nie ein Entertainer wie Otto Walkes beispielsweise. Diese Leute haben ein Programm im Ärmel und ihre Gags und können sich darauf verlassen. . .  Ich war immer darauf angewiesen, dass was passiert. Das Spontane hat für mich nichts mit Kunst zu tun. Das Spontane ist eine Begabung. Dass man es schafft, etwas zu formulieren, während man es sieht. Das Staunen, das der Zuschauer hat, sollte der Moderator mitbringen. Für mich hat das Spontane nicht mit Kunst zu tun. Künstler machen sich vorher Gedanken, da steckt Kopfarbeit dahinter, bei mir nicht.“

Gottschalk: „Auch das ist ein Merkmal von Künstlern, dass sie sich ihr Leben lang in Frage stellen – das ist mir nie passiert.“

Lüpertz: „Malerei ist kein Beruf – sondern eine Berufung. Ich höre nicht auf, Maler zu sein, wenn ich hier sitze. … Du bist getrieben. In der Malerei gibt es nichts Neues. Es gibt nur immer neue Künstler, die neu interpretieren. … Ich bin ein Maler, der ständig neu anfängt. Es ist ein ständiges Wasser und Feuer. Ich lehne es ab, ständig zu reproduzieren. … Ich arbeite an vielen, schönen, großen Bildern. Ich male ständig und viel.“

 

Erfolg

Gottschalk: „Erfolg ist etwas, was man nicht greifen kann, etwas sehr Flüchtiges. Ich habe in meiner Karriere viele Menschen erlebt, die einen Blitzerfolg hatten und, wenn ich sie endlich in der Sendung hatte, wollte sie keiner mehr. Erfolg ist nichts, worauf man sich verlassen kann. Erfolg ist nicht erotisch – oder doch erotisch – , weil er halt schnell vergänglich ist, die Erotik ist ja, wie man an mir sieht, auch schnell vergänglich ist.“

„Diesen Beruf, wie ich ihn mache, kann man nicht ernst nehmen… Ich sehe das als Spaß, der mir auch noch vernünftig bezahlt wird. Das finde ich in Ordnung.“

„Heute haben alle ihre Autoren. Ich habe nie in meinem Leben einen Autor gehabt. Ich bin rausgegangen und erzähle, was ich denke. Ich sag nicht alles, was ich denke, aber manches. Es ist keine akademische Leistung.“

 

Unterhaltung

Gottschalk:„ Ich mache mir vor einer Sendung vorher keine Gedanken. Ich fahre da hin und moderier das weg. Die Welt versinkt im Elend und ich bin jemand, der einen Menschen zeigt,  der einen Pizzateig 200 Meter weit weg werfen kann. Ich bin jemand, der aus dem Moment etwas macht. Du siehst ein Publikum wie hier, ich will, dass sich keiner langweilt. Es ist immer für ehrliche Leichtigkeit Platz. Mit Unterhaltung machst Du niemanden besser, aber es geht ihm hinterher besser.“

Lüpertz: „Der Mensch hat ein Recht auf Unterhaltung.“

 

Das Erfolgsformat „Wetten, dass…?“

BR-Moderatorin Anouschka Horn führte durch den Abend.
© Manuel Birgmann/Passauer Neue Presse

Gottschalk erinnert sich: „Das habe ich über 30 Jahre in einer Blase gemacht. 2011 war dann Schluss, und kein Hahn hat danach gekräht. Ich habe mich selber nicht beim ZDF gemeldet. Im Zuge einer Nostalgie hat man mich gefragt, und ich sag immer ja, wenn mich jemand fragt.

Anouschka Horn fragte, ob ein Gemeinschaftsgefühl damals wichtig war? Gottschalk bejahte: „Paul McCartney ist einer Blasmusik voranmarschiert und hat ,Yesterday‘ dirigiert. Jeder kannte den Musiker, jeder kannte Blasmusik und jeder kannte ,Yesterday‘. Das kleinste gemeinsame Vielfache ist heute nicht mehr gegeben. Wenn ich die Stars der Kinder heute einmarschieren lasse, kennen die die Eltern nicht mehr.“

 

 Medien

Gottschalk: „Ich hatte das Gefühl, Fernsehen ändert sich stark. Das Gefühl hat sich bestätigt. Ich war gewohnt bei ,Wetten, dass . . .?‘ Menschen anzusagen, die ich kannte und die, die der Rest der Welt kannte. Heute muss man mir erklären, dass dieser oder jener Mensch berühmt ist und eine Million Follower hat. Dann sage ich: In Gottesnamen – dann soll es so sein. Es ist schwieriger, sich in der heutigen Fernsehlandschaft zurechtzufinden, als es zu meiner Zeit war.“

„Ich hatte meine Zeit, ich hadere da nicht. Ich habe die beste Zeit erlebt, sowohl im Fernsehen als auch in der Werbung.  Ich kann mich in keinster Weise beklagen. Und jetzt bin ich noch gut genug für Passau.“

Gottschalk erinnerte sich, dass er bei einem Vortrag in Heidelberg gesagt hatte, für mich sei der Kollege  Silbereisen aus dem Bereich der Satire. „Da musste ich dann auf Knien nach Mallorca rutschen und mich entschuldigen.“

Und er füg hinzu: „Früher habe ich erst geredet und dann gedacht. Heute denke ich erst und sage dann nichts mehr. Man kann immer noch alles sagen, aber es fliegt einem dann um die Ohren. Ich bin Weltmeister im Erzeugen von Shitstorms.“

„Ich bin ein großer Radiofreak.“ Aber: Beim Radio sei heute alles anders. „Ich hatte zwischen Rosenheim und Hof keinerlei Konkurrenz, heute funken da tausend Sender dazwischen; es geht nur noch um Quote.“ Er fügt hinzu: „Ich kenne eine beim BR, ich denke, die kann nicht reden. Aber sie sagt, sie hat wahnsinnig viele Clics. Prima, ich hatte noch Hörer.“

„Wenn heute jemand kommt und sagt: Ich bin die Susi und habe eine Million Clics, dann sage ich: Verclic dich!“

Lüpertz: „Fernsehen ist ein Medium, dem ich sehr kritisch gegenüber stehe.“

 

Mode

Beide lieben es modisch: Thomas Gottschalk (r.) und Markus Lüpertz.
© Thomas Jäger/Passauer Neue Presse

Gottschalk zu Lüpertz: „Ich schätze Ihre Klamotten. … Er hat heute mehr Pfiff als ich.“

Anouschka Horn zitierte Markus Lüpertz aus einem Interview: „Ich habe ich mich entschlossen, ein schöner Mann zu sein.“  Markus Lüpertz erzählte von Krieg, Flucht, Arbeit im Bergwerk. Von seinem Genie sei er stets überzeugt gewesen, aber nicht von seinem Aussehen. „Ich sah ganz anders aus als meine Vorbilder.“ Das wollte er ändern. Im Atelier sei er immer schmutzig, deshalb lasse er sich dort auch nicht fotografieren. Außerhalb des Ateliers wolle er gepflegt sein.

 

Privatleben

Thomas Gottschalk erzählte von einem Erlebnis von vor fünf Jahren. Bei einem Abendessen vertauschte Gottschalk die Tischkärtchen – er wollte nicht neben Carmen Nebel sitzen – und er suchte das Tischkärtchen von Karina . . .: „Sie hat schon eher  gemerkt, dass ich der Richtige bin, als ich, weil ich etwas schwer von Begriff bin.“  Fünf Jahre sei das jetzt her.

„Mit 68 habe ich mich noch mal verknallt. Das ist richtig gut. …Ich habe gedacht: Ich riskier‘s nochmal. Es ist mir gut bekommen. Ich bin ein glücklicher Mensch.“ Aber: „Die ganze Geschichte muss man nicht immer wieder aufwühlen. Das ist fünf Jahre her.“ Freundin Karina Mroß begleitete ihn nach Passau. Die beiden hielten verliebt Händchen während der Veranstaltung.

Markus Lüpertz erwähnte seine 38-jährige Frau Dunja – und hatte ihre gemeinsame Tochter Lili mit nach Passau gebracht. Insgesamt hat er fünf Kinder.

 

Alter

Gottschalk: „Seit ich Karina kenne, möchte ich doch älter werden.“ „Es schon so, dass man sich fragt, verdammt  noch mal, was passiert da eigentlich?“  „Mit Karina gefällt mir das Leben.“ „Ich habe nichts mehr auf meiner Liste, ich nehme es, wie es kommt.“

Lüpertz zitierte einen Untertitel eines Gottschalk-Buches:  „Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd.“ Und er meinte: „Ich muss – was mich betrifft, widersprechen. Ich bin im Alter nicht klüger geworden, noch nicht mal weiser. Ich agiere ein Leben lang als genialer Anfänger. Sonst ertrinkt man – meiner Überzeugung nach im eigenen Sumpf und wird ein Opfer seines Metiers. Ich muss mich also entschuldigen, dass er mich als Laudator ausgesucht hat. Mich, der nicht weiser geworden ist, sondern blöd geblieben ist.“

Lüpertz: „Alles, was man über das Alter sagt, stimmt nicht. Es ist ein individuelles Erlebnis. Ich will nicht als genetisches Wunder in die Geschichte eingehen, sondern als großer Maler.“ Weiter meinte er: „Ich lebe dieses Leben so gut, wie ich kann. Ich habe nur dieses eine Leben.“

 

Mit einem Empfang klang der Abend im Medienzentrum aus. Thomas Gottschalk und Markus Lüpertz waren ebenso dabei wie  BR-Lady Anouschka Horn. Die hatte ihre Wette eingelöst, dass man an diesem Abend die beiden Größen aus der Kunst- und der Fernsehwelt durch die Veranstaltung „Bühne frei für zwei Legenden“  besser kennenlernen würde.