Buhsturm für Wiener „Freischütz“  als Opernfilm

Tuomas Katajala war ein idealer Sänger für den Max. © William Minke

Keine Kommunikation nzwischen Bühne und Publikum

Wie war man doch froh, nein glücklich, nach den Beschränkungen der Corona-Pandemie wieder live Sänger erleben zu können, Aufführungen besuchen zu dürfen. Denn das Live-Erlebnis, die Interaktion zwischen Bühne und Publikum ist das, was Oper und Theater als Alleinstellungsmerkmal haben.

Im neuen „Freischütz“ des Theaters an der Wien, der seine  Premiere – wegen Umbaus –  im Ausweichspielort Museumsquartier,  hatte, wurde dies völlig negiert. Das Singspiel von Carl Maria von Weber lief als Opernfilm ab. Noch dazu als handwerklich schlechter.

Entrüstung in der Pause und leere Reihen

Die Atmosphäre in dem Theater war eisig; es war keine Kommunikation zwischen Bühne und Publikum möglich. Bis zur Pause wurde einmal zögerlich und verhalten nach einer Arie geklatscht. Noch während des Spiels verließen zahlreiche Zuschauer das Theater. Vergeblich hatten sie gehofft, dass sich die Leinwand hebt und den Blick auf die Bühne freigibt. Nach der Pause fehlten ganze Reihen. In der Pause gab es einen Entrüstungssturm. Manche Zuschauer wollten ihr Eintrittsgeld zurück. O-Ton: „Ich zahle keine 100 Euro für einen schlechten Opernfilm“ oder „so ein Schwachsinn“. Es gab auch Kommentare, die man lieber nicht in den Mund nimmt.

David Marton schafft die Oper als Medium ab

Der ungarische Regisseur David Marton (auch für die Bühne verantwortlich)  bietet die große romantische Oper, die 1821 uraufgeführt wurde, als Film dar, der in der Biedermeierzeit seinen Anfang nimmt und an einer heutigen Würstlbude endet. Samiel erscheint nur noch als Hologramm. Max steht nicht im Mittelpunkt. Deren Hauptdarstellerin ist Agathe. Leitmotivisch wird sie immer wieder als Schläferin und Träumerin auf der Wiese, am Biedermeierschreibtisch, im Bett gezeigt. Schön und gut. Aber hätte man das nicht auch auf der Bühne realisieren können?

Das Medium Film auf der Opernbühne geschickt einzusetzen, kann zu wunderbaren Momenten, ja Offenbarungen und Vertiefungen führen. Wie befruchtend dieses Medium sein kann, durfte man schon erleben. Doch hier wird die Oper als künstlerisches Medium abgeschafft.

Bombardement mit schnellen Bildern

Der Zuschauer kann  nur hinter der semitransparenten Leinwand ahnen, dass die Sänger und der Chor wirklich da sind. Er wird in rasantem Tempo bombardiert mit einer Vielzahl von Bildern, Frontalansichten, Vogelperspektive, Überschneidungen, Verfremdungen, Verzerrungen (ganz schlimm bei Agathes Gesicht oder dem Zombie-Chor), so dass man manchmal schwindelig wird und sich der Magen umdreht. Augen schießen hilft – aber gehe ich deswegen in die Oper? Drei Filmer hatte Marton im Einsatz. Sie produzierten aktuelle Bilder von der Bühne, gemischt mit vorproduzierten, z. B. Weltuntergangs-Szenarien wie Flut, Krieg und Feuer. Die Kameraleute sind ebenso ausgebuht worden wie Marton selbst. Ein zweites Mal traute er sich bei der Premiere  gar nicht mehr auf die Bühne, als ihn die beiden Sängerinnen holen wollten.

Mühsam war ein weiterer Regieeinfall: Die Sprechtexte des Librettos ließ der Regisseur jeweils in der Originalsprache des Sängers sprechen – mit Übertiteln in Deutsch und Englisch.

Sängerensemble war top

Ein starkes Frauenduo: Jacquelyn Wagner (Agathe) und Sofia Fomina (Ännchen). © William Minke

Die Künstler konnten einem leidtun – wegen der fehlenden Interaktion mit dem Publikum. Ihre Leistungen wurde nicht genug gewürdigt. Denn das Sängerensemble war top: allen voran US-Sopranistin Jacquelyn Wagner mit einem satten, leicht dunkel timbrierten Sopran. Gefallen hat auch Sofia Fominas fröhliches und sorgloses Ännchen; im gleichen Kleid wird sie zu  einem Alter Ego Agathes. Das Doppelgänger-Motiv der Romantik taucht hier auf. Tuomas Katajala gibt einen romantischen Max und hat dafür als lyrischer Tenor  die geeignete Stimme. Bass Alex Esposito überzeugt stimmlich und schauspielerisch. Sein Kaspar ist tadellos. Als „Kameramann“ wächst ihm eine seltsame Aufgabe in dieser Inszenierung zu. Weitere Rollen: Fürst Ottokar: Dean Murphy, Kuno: Guido Jentjens, Eremit: Levente Páll, Kilian: Viktor Rud.

Wunderbar war der Arnold Schoenberg Chor, wenngleich die Artikulation nicht mit dem Bildmaterial identisch war. Schlechtes Handwerk der Filmer . . .

Dirigent Patrick Lange am Pult der Wiener Symphoniker bemühte sich redlich, schien aber irritiert und fand  keine stringente Linie.

Dass sich am Ende Max und Agathe an der Wiener Würstlbude über den Weg laufen, sollte die Oper, die mit Biedermeierkostümen ausgestattet war (Pola Kardum) in die Jetztzeit führen. Ein Schlussgag, der auch nicht viel gebracht hat.

Weitere Vorführungen:

24., 27., 29.3., 1. und 3.4., 19 Uhr.

Karten: 0043/1 / 58885111