Erstaufführung in Ostbayern
Die Zuschauer im vollbesetzten Theaterzelt in Landshut haben gestern Abend die Vollendung von Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ enthusiastisch gefeiert. Nach vier Jahren hatte – coronabedingt – „Götterdämmerung“, der dritte Teil des Bühnenfestspiels, am Landestheater Niederbayern Premiere. Damit hatte der Zyklus seine Erstaufführung in Ostbayern.
Spannende Regie: Stefan Tilch
Dabei verwebt Regisseur und Intendant Stefan Tilch, der vereinzelt Buhrufe einstecken musste, ideenreich die einzelne Abende durch Rückgriffe und Motive aus vorhergehenden Abenden. Wer also alle Abende gesehen hat, erkennt die Bezüge. Als Klammer dient auch die Bücherwand aus der Götterburg Walhall. Wiederum ist der Einsatz von Video (Florian Rödl) das tragende Element des Bühnenbildes, das extrem reduziert ist (Karlheinz Beer). Das ist – wie schon an den vergangenen Wagner-Abenden – eine geniale Lösung, da das Theaterzelt weder über einen Schnürboden, noch über eine Bühnenuntertechnik verfügt.
Die Götter sind schon abgeschafft: Sie sehen nur noch als Denkmal auf dem Sockel und laden zu einem Besuch in einem „Götter-Funpark“ ein. Das passt auch zur Spaß- und Sportgesellschaft der Gibichungen, die im Einheitskostüm mit Sportgeräten wie Tennisschläger, Golfschläger, Paddel und mehr auftreten und sportliche Übungen ausführen (Choreografie: Sunny Prasch). Es ist der einzige Abend der Tetralogie, der einen Choreinsatz hat. Chordirektorin Eleni Papakyriakou hat die Choristen präzise einstudiert. Die Szenen mit dem Chor sind auch Parodie auf unsere Gesellschaft, die Fitness auf ihre Fahnen geschrieben hat und stets zu einem Selfie bereit ist.
Worauf der Regisseur als Gesamtaussage hinaus will, wird am letzten Abend klar – und auch manches Rätsel gelöst. Die Drohne, die über das Geschehen an allen Abenden überfliegt, das sind Wotans Raben. Das Ende steht nicht nur den Göttern bevor, sondern auch der Welt durch Umweltverschmutzung (Wasser) und Dürre (Wüsten). Ganz ohne Hoffnung entlässt Stefan Tilch die Zuschauer nicht: Siegfried und Brünnhilde gehen nach ihrem Tod als Energie im All auf. Die Liebe geht also nicht verloren, könnte man deuten. Und: Im Schlussbild sprießt wieder ein Grashalm und damit neues Leben. Eine spannende und logische Regie.
Überstrahlten alles: Yamina Maamar und Michael Heim
Das Ende wird eingeläutet, indem Wotan die Weltesche fallen lässt. Das Vorspiel mit den drei Nornen (Reinhild Buchmayer, Sabine Noack und Emily Fultz) lässt das Vergangene in Kapiteln Revue passieren und die Liebenden Brünnhilde und Siegfried auftreten. Sopranistin Yamina Maamar und Tenor Michael Heim waren die alles überstrahlenden Sänger an diesem Abend. Nicht nur, dass sie zwei Mammutpartien zu bewältigen haben; sie sind darstellerisch super präsent und in jedem Wort textdeutlich. Yamina Maamar passt, mit kräftiger, dunkel timbrierter Stimme, so richtig zu dieser leidenschaftlichen Walküre, die für ihre Liebe kämpft und schließlich die Götterburg in Brand setzt. Michael Heim, ein satter, aufregender Tenor mit schön geführter Stimme, der sich blitzschnell auf jede Orchesterlautstärke einstellen kann, hat sich als Siegfried vom jugendlichen Drachenkämpfer zu einem stattlichen Liebhaber und Helden gemausert. Witziger Rückgriff und sehr passende Idee der Regie, dass während der Siegfried-Erzählung auf Bildschirmen die Helden-Geschichte gezeigt wird: „Valkyrie Prime presents Young Siegfried“. Die Jagd, bei der Sigfried getötet wird, spielt nicht am Ufer des Rheins, sondern im einem gift-grünen-Urwald mit plätscherndem Wasserfall und exotischen Vögeln, die vorbei zwitschern – das alles dank 3D-Technik. Auch der Ring ist nur ein Lichtpunkt, der rasch wandert.
Hagen als Kobold und Horror-Clown
Bass Heeyun Choi, an allen Abenden der Tetralogie dabei, spielte stimmmächtig einen sehr anderen Hagen als bisher gewohnt. Er ist kein Finsterer oder gar Dämonischer, sondern ein Kobold mit einer Sonnenblume am Revers, immer zu einem Späßchen bereit, aber eine Marionette seines Vaters Alberich (sehr überzeugend: Oliver Weidinger), der schließlich beim Töten von Gunther (Peter Tilch) zum Horrorclown wird.
Starke Bühnenpräsenz: das Geschwisterpaar
Peter Tilch spielt Gunther als hilflos-lustigen Gibichungenkönig, dem Held Siegfried gerade recht kommt. Der Bariton hat eine, wie er auf Facebook bekanntgab, eine Fußverletzung, die man als Zuschauer aber nicht bemerkte. Stimmlich ist sein Gunther markant und präzise; sein Spiel wie stets von großer Bühnenpräsenz.
Seine Schwester Gutrune, gesungen von Peggy Steiner, ist das erfrischende Gegenbild zu Brünnhilde. Sie weiß, was sie will, setzt sie sich stets keck in Szene, tänzelt hier, tänzelt dort. Steiners heller und glockenreiner Sopran passt gut zu dieser Gutrune. Auch sie hat eine gute Bühnenpräsenz.
Exzellente Rheintöchter
Exzellent waren die drei Rheintöchter: Woglinde (Emily Fultz), Wellgunde (Sabine Noack) und Floßhilde (Reinhild Buchmayer). Reizend inszeniert ist die Szene am Rheingrund mit den spielenden und sich neckenden Wasserfeen, die im Film fortgeführt wird. Doch auch hier ist zu sehen, dass es nicht nur um die schönen Gespielinnen in ihren schillernden Kostümen und blinkenden Schuhen (Kostüme: Ursula Beutler), sondern auch um Umweltverschmutzung. Das Bühnenbild besteht aus roten Tonnen, Dosen fallen ins Wasser. Die Rheintöchterszene gehört musikalisch zu den schönsten Episoden, die die Niederbayerische Philharmonie unter Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman sehr fein zu gestalten weiß.
Lorbeerkrone für Coleman und die Niederbayerische Philharmonie
Coleman und den aufgestockten Klangkörper gebührt eine Lorbeerkrone. Stringent hat er sich das Weltuntergangs-Epos zu eigen gemacht und kann dessen gewaltige dramatische Schlagkraft wunderbar vermitteln. Sehr konzentriert wirkt er am Pult. Das leitmotivische Gewebe der Oper ist markant herausgearbeitet; besonders beeindruckend ist die Geschlossenheit im zweiten Akt, in dem herrliche Einzelschilderungen in einem Riesencrescendo münden. Bewundernswert am Schluss, wie sich die einzelnen Motive in den sinfonischen Fluss fügen. In der Passauer Aufführung wird das Orchester noch einmal verstätkzt, u. a. kommen noch zwei Harfen dazu.
Dass Basil H. E. Coleman am Vortag seines 60. Geburtstag, den er heute feiern kann, sich (und uns) dieses Geschenk gemacht hat, ist sicherlich der Höhepunkt seiner Dirigentenlaufbahn. Ihm ist auch zu verdanken, dass er schon seit Jahren gute Sänger in das Ensemble bindet, und solide Sänger als Gäste verpflichtet. Ohne diese Mischung wäre das Ring-Projekt nicht zu stemmen gewesen.
Lesen Sie ein Porträt des britischen Dirigenten unter:
Weitere Vorstellungen:
Das sind die Termine:
Landshut, Theaterzelt: 5. Mai (17 Uhr) 14. Mai (16 Uhr), 11. Juni (16 Uhr)
Tel. 0871/922 08 33
theaterkasse@landshut.de
Passau, Dreiländerhalle: 2. Juni (17 Uhr), 4. Juni (16 Uhr)
Tel.: 0851 / 929 19 13
theaterkasse@passau.de
Straubing, Theater am Hagen: 9. Mai (18 Uhr)
Tel. 09421 / 944 69 199
kulturamt@straubing.de
In Passau gibt es quasi ein Doppelfinale, da hier „Siegfried“ noch nicht gespielt wurde.
Das sind die Termine in der Dreiländerhalle:
- Mai (16 Uhr), 27. Mai (16 Uhr)
Tel.: 0851 / 929 19 13
theaterkasse@passau.de