Bayerisch-tschechische Landesausstellung läuft in Regensburg bis 3. Oktober
Ab heute ist die erste gemeinsame bayerisch-tschechische Landesausstellung in Regensburg unter dem Titel „Barock! Bayern und Böhmen“ zu sehen, von Bayern, dem Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg, und von Tschechen, dem tschechischen Nationalmuseum in Prag, gemeinsam geplant und ausgestattet. Bis 3. Oktober im Museum in Regensburg, dann im Nationalmuseum in Prag zu sehen. Ein Novum! Die Ausstellungsarchitektur besorgte die Gruppe Gut aus Bozen – als Klappmodell. So kann die Schau zusammengeklappt, in Container verstaut und nach Prag transportiert werden. Das besondere Schmankerl: Bis Sonntag, 14. Mai, gibt es freien Eintritt in die Landesausstellung und die Dauerausstellung, wie der Projektleiter dere Ausstellung, Dr. Peter Wolf, bekanntgab.
Schwierige Ära
Ebenso ein Novum ist, dass es um eine schwierige Ära der bayerisch-tschechischen Geschichte geht: die Barockzeit in Bayern und Böhmen. Denn: Was die Bayern als glänzende Epoche ihrer Geschichte empfinden, ist für die Böhmen mit Traumata verbunden, mit Niederlage und Verlust. Man verheimlicht das nicht. Vielleicht auch, weil Böhmen und Bayern heute eine herzliche Freundschaft verbindet ebenso wie eine ausgezeichnete wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch in der Unterstützung der Hilfesuchenden im Ukraine-Krieg ist man sich einig.
Die Schau beginnt vor 400 Jahren und endet ein Jahrhundert später. Zwei Eckdaten markieren die Barockzeit:
1623: Auf dem Regensburger Fürstentag im Januar 1623 überträgt Kaiser Ferdinand II. die pfälzische Kurwürde und die Herrschaft über die Oberpfalz an den bayerischen Herzog Maximilian. Ein lang ersehntes Ziel bayerischer Politik scheint erreicht. Währenddessen bluten in Prag noch die Wunden des kaiserlichen Strafgerichts: Hinrichtungen, Vertreibungen, Zwangsbekehrungen, weitgehender Verlust der böhmischen Selbstständigkeit. Triumph und bittere Niederlage liegen eng nebeneinander. All dies sind Folgen des „Prager Fenstersturzes“ von 1618 und der „Schlacht am Weißen Berg“ von 1620, wo der bayerische General Tilly mit der bayerisch-habsburgischen Armee das Ende des böhmischen Ständestaates besiegelte. Hier, in den vielfach verbundenen Ländern Bayern und Böhmen, hatte der Krieg angefangen, der 30 Jahre lang Mitteleuropa verheeren sollte.
1723: In Prag findet das Fest des Jahrhunderts statt, das auf ganz Europa ausstrahlt: Der habsburgische Kaiser Karl VI. und seine Gemahlin Elisabeth Christine werden als böhmisches Königspaar gekrönt. Diese Machtdemonstration der Habsburger befestigt ihre Herrschaft über die Länder der böhmischen Krone. Vor allem aber soll sie die Thronansprüche konkurrierender Dynastien – auch der bayerischen Wittelsbacher – in die Schranken weisen. Und so entfesselte man eine barocke Pracht, die ihresgleichen suchte: Gottesdienste, Prozessionen, Bankette, eine Festoper im eigens errichtetem Theater für 4000 Personen. Die barocke Welt ist eine Schaubühne mit klarer Botschaft: Alles geschieht zum höheren Ruhm der Herrscher von Gottes Gnaden.
Gigantischer „Marshallplan“
Zwischen diesen beiden Polen entwickelt das Barock seine Strahlkraft. Dr. Richard Loibl, Direktor des Hauses der bayerischen Geschichte in Augsburg und des Museums in Regensburg, nennt das Barock einen gigantischen „Marshallplan“ der damaligen Geschichte. Denn: Am Anfang dieser Entwicklung standen die verheerenden Verwüstungen des 30-jährigen Krieges.
Rund 150 Objekte zeigt „Alles Barock!“. Kostbare Originalexponate aus Tschechien, Deutschland und dem übrigen Europa präsentieren die Vielfalt einer Zeit großer Extreme. Sie zeigen den Glanz ebenso wie die Abgründe, den schönen Schein der Illusion ebenso wie die Bühnenmaschinerie, die alles am Laufen hält. Das barocke Spektakel umfasst schließlich alle Lebensbereiche, bezieht alle Stände mit ein und überwindet nicht nur Landes-, sondern auch die Konfessionsgrenzen.
Das sind einige der herausragenden Exponate:
Büste: Maximilian I. Kurfürst von Bayern
Die Skulptur aus Bronze entstand nach 1651 steht am Beginn der Schau im Donausaal. Asketische Strenge und Nüchternheit statt glanzvoller barocker Würdezeichen charakterisieren dieses Altersporträt Maximilians I. Als Künstler der posthum geschaffenen Bronzebüste wurde ursprünglich der in den Quellen nur schwer fassbare Hofbossierer Alessandro Abondio vermutet. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um eine Arbeit des 1653 zum Hofbildhauer ernannten Balthasar Ableithner handelt.
Zaumzeug Maximilians von Bayern
Gleich gegenüber der Büste ist dieser üppige Gebrauchsgegenstand aus Leder von 1615 zu sehen, der aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds stammt. Dieses kostbare Zaumzeug wurde in der Werkstatt des Goldschmieds Johann Michael in Prag gefertigt. Es ist nahezu vollständig mit vergoldeten Silberplatten, feinstem Drahtemail und unzähligen bunten Steinchen verziert. Zu dem Ensemble gehörten ursprünglich eine große Satteldecke sowie ein Sattel, die heute verloren sind.
Das Schiff der Kirche
Dieses Ölbild auf Leinwand wird Jacob Gerritsz Loef zugeschrieben und ist datiert auf 1640–1649. Es ist eine Leihgabe aus dem Museum Catharijneconventin Utrecht. Das Bild ist ein allegorisches Gemälde zum Kampf der Konfessionen im Barock- Die als mächtiges Seeschiff dargestellte katholische Kirche mit dem gekreuzigten Christus am Mast und mit einer „rechtgläubigen“ Besatzung samt Ordensvertretern und Papst triumphiert über die im Wasser treibenden „Ketzer“, darunter die Reformatoren Jan Hus, Martin Luther und Johannes Calvin.
Tumbadeckel in Form eines realistisch gestalteten Skeletts
Die Marmor-Plastik von 1624 ist eine Leihgabe der Salzburg Museum GmbH. Das liegende Skelett stammt vom Sebastiansfriedhof in Salzburg und stand viele Jahrzehnte in der dortigen Beinhauskapelle. Bis 1685 diente die Skulptur als Tumbadeckel einer Gruft, in der verschiedenen Quellen zufolge zwischen 1618 und 1622 Valentin Helmegg beigesetzt wurde. Das manieristische Skelett besticht dabei durch seine überrealistische, „lebendige“ Auffassung des Todes. Im Barock war das „Memento mori“ Teil der Alltagskultur.
Isabella und Octavio
Diese Figuren aus der Commedia dell‘arte sind aus Hartporzellan, mit Aufglasurfarben und Goldhöhung; sie sind gefertigt von Franz Anton Bustelli um 1759/60 und stammen aus der Sammlung vom Bayerischen Nationalmuseum. Aus Italien stammend, erfreute sie sich in ganz Europa größter Beliebtheit: In der „Commedia dell’arte“ verkörperten die Darstellerinnen und Darsteller feststehende komödiantische Charaktertypen. Im Zentrum der Handlung standen meist Eifersucht und Liebe, wie die zwischen Isabella und Octavio. Franz Anton Bustelli vermochte es, die Figuren besonders lebendig im modischen Porzellan nachzubilden.
Architekturmodell: Costanza e fortezza
Das ist ein Modell aus Finnpappe, Holz und Gips aus dem Jahr 2016 und steht in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien. Einen glanzvollen Höhepunkt der Krönungsfeierlichkeiten von Kaiser Karl VI. zum König von Böhmen bildete die Aufführung der Oper „Costanza e fortezza“ des Wiener Hofkomponisten Johann Josef Fux in einem eigens dafür errichteten Freilichttheater auf dem Prager Hradschin. Das in der Ausstellung gezeigte Modell wurde im Jahr 2016 von Studierenden der TU Wien angefertigt und fußt auf den im Original erhaltenen Kupferstichen Giuseppe Galli da Bibienas.
Der Katalog zur Bayerisch-Tschechischen Landesausstellung „Barock! Bayern und Böhmen“ ist im Pustet-Verlag erschienen und zeigt mit zahlreichen Abbildungen einen umfassenden Einblick in die Schau im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Erhältlich im Museumsladen in Regensburg (24 Euro), online (24 Euro zzgl. Versandkosten) unter www.hdbg.de und im Buchhandel.
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Haus der Bayerischen Geschichte Regensburg, Donausaal
Laufzeit: 10. Mai bis 3. Oktober 2023
Dienstag bis Sonntag von 9.00 bis 18.00 Uhr, Samstag, 13. Mai 9.00 bis 20.00 Uhr
Nationalmuseum Hauptgebäude Prag | Sonderausstellungsräume
Laufzeit: 8. Dezember 2023 bis 8. Mai 2024
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