Meine persönlichen Erinnerungen an Martin Walser

Mit Martin Walser im Interview und beim Essen. © Kraner

Zum Tod des letzten großen Schriftstellers der Nachkriegs-BRD

Traurig erinnere ich mich an Martin Walser, der jetzt im Alter von 96 Jahren gestorben ist, zurück.

Schon als literaturbegeisterte Schülerin war er mir ein Begriff. Im Seminar für Neue deutsche Literatur in der Münchner Schellingstraße belegte ich mehrere Seminare für zeitgenössische Literatur, Martin Walsers Werke waren immer dabei. Es war mein späterer Doktorvater Prof. Helmut Moderat, Germanist und Literaturhistoriker (1919-1996), der Martin Walser immer wieder in seinen Lehrkanon aufnahm.

Was mir an Walser besonders imponierte, war die Art zu schreiben, jedes Buch hatte seinen eigenen Ton. Und: Seine Bücher enthielten als Grundgewebe ein Kaleidoskop der Geschichte der Bundesrepublik.

Als Studentin, die sich wünschte, Journalistin zu werden, habe ich mir gedacht: Wenn ich einmal Journalistin bin, möchte ich drei Autoren im Interview haben: Günter Grass, Martin Walser und Peter Handke.

Dann bin ich zufrieden. Und siehe da – es ist so gekommen.

Drei Mal Martin Walser getroffen

Martin Walser habe ich drei Mal getroffen. Das erste Mal, da arbeitete ich als Journalistin in Burghausen, bin ich zu einer Lesung von ihm nach Straubing gefahren. Ich hatte zwei Säcke mit seinen Werken dabei – und war festen Willens, alle signieren zu lassen.  Die Lesung fand im schönen Rittersaal der Gäubodenstadt statt. Es war ein regnerischer und kalter Herbsttag.

Martin Walser war sehr erkältet, aber hat die Lesung pflichtbewusst durchgezogen. Einige waren zum Signieren da. Ich hatte mit meinen beiden Säcken und rund 20 Büchern ein schlechtes Gewissen, ihn, den eigentlich Kranken, aufzuhalten. Aber: Martin Walser freute sich.

Er entdeckte unter den Bänden Erstausgaben und fing ein Gespräch an, über meine Lektüre seiner Bücher. Heiter war er und gelassen – und freute sich über mein Interesse.

Die beiden anderen Male traf ich ihn dienstlich, als Feuilletonredakteurin der Passauer Neuen Presse. Er war in Passau zu Lesungen seiner neuen Bücher.

Einmal waren wir zusammen essen in einem schönen Lokal direkt am Inn. Das gefiel ihm, der das Wasser liebt und ja zeit seines Lebens am Bodensee wohnte. Bis spät in die Nacht wurde es; er liebte deftige Küche und guten Rotwein. Nach dem Interview kamen wir auf die Ludwigs-Maximilians-Universität zu sprechen, wohin er viele Verbindungen hatten, auch zu meinem Doktorvater und zu meinem Theaterwissenschafts-Professor, Dieter Borchmeyer, der damals gerade Präsident der Bayerischen Akademie der Künste war. Der Gesprächsstoff ging uns nicht aus. Martin Walser erzählte auch von frühen Erlebnissen in der Gruppe 47, zu der er als junger Mann stieß. Und er plauderte auch über seine Familie und seine Kinder, denen er die höchst mögliche Freiheit und Entwicklungsmöglichkeit geben wollte.

Mit Martin Walser beim Spaziergang an der Donau beim Emerenz-Meier-Denkmal. © Passauer Neue Presse

Als ich ihn ein drittes Mal traf, wünschte er sich einen Spaziergang an den Flüssen, und so sind wir am Donau- und Innkai entlang spaziert. Und er war neugierig, welche Literatur der Stadt entsprungen ist. Das Nibelungenlied war natürlich unser Gesprächsstoff, Hans Carossa, Heinrich Lautensack und Emerenz Meier. Letztere kannte er nicht; wir sind zu ihrer Statue an der Donau gegangen. Später habe ich tihm ein paar ihrer Texte zugeschickt.

Als Feuilletonredakteurin habe ich sämtliche Bücher gelesen, viele rezensiert. Rund 36 stehen in meiner Bibliothek. Ich werde jetzt einige noch mal lesen.

Als temperamentvollen, wachen und offenen Menschen habe ich Martin Walser erlebt, der sich seinen – berüchtigten und betörenden Charme – der jungen Jahre bis ins hohe Alter bewahrt  hat.

Er möge in Frieden ruhen!