Antonia Reidel – eine Schauspielerin, die über sich lachen kann

Gewitter mit Blitzeinschlag (v.l.): Norman Bassett (Stefan Merten), Eric Swan (Julian Ricker), Mr. Jenkins (Paul Behrens), Mrs. Cowper (antonia Reidel) und Linda Swan (Katharina Elisabeth Kram). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

„Und ewig rauschen die Gelder“ am Landestheater Niederbayern

Wenn Susanne Daubner in der Tagesschau bei einer trockenen Meldung über den Chemiegipfel im Kanzleramt sich verhaspelt und einen Lachanfall bekommt, dann darf das eine Schauspielerin im Landestheater Niederbayern in einer Komödie auch. So geschehen am Samstagabend in der Boulevardkomödie „Und ewig rauschen die Gelder“ von Michael Cooney am Landestheater Niederbayern in Passau. Die Schauspielerin Antonia Reidel spielt Mrs. Cowper vom Sozialamt, verhaspelt sich in einem der komplex konstruierten Dialoge – und muss über sich und ihre Rolle lachen. Das Publikum merkt´s und lacht herzlich mit. Ja, das ist live! Und sehr menschlich. Schauspieler sind eben Menschen und keine Automaten. Gottseidank! Das Publikum quittiert es mit lautem Applaus.

Ein dichtes Lügennetz

Eric Swan (Julian Ricker) überredet seinen Norman Bassett (Stefen Merten) seine Betrügereien zu decken. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Bei einer Komödie wie dieser hat das Publikum ohnehin viel zu lachen. Denn der Sozialbetrüger Eric Swan kassiert, wo immer es geht: bei Renten über Arbeitslosen-, Kinder- und Krankengeld bis hin zur Schulmilch der Kinder und Sachzuwendungen wie Umstandskleidung und Korsetts. Er verstrickt sich und andere in ein dichtes Lügennetz, als seine Betrügereien  durch den Besuch eines Außenprüfers des Sozialamts aufzukommen drohen.

Superschneller Schlagabtausch

Julian Ricker spielt diesen Betrüger sehr charmant, der das alles doch nur tut, um seiner geliebten Linda, nicht gestehen zu müssen, dass er arbeitslos ist. Ricker, ein recht agiler Schauspieler, muss dabei die Fäden des Lügengespinsts in der Hand halten, was auch schnellen Identitätenwechsel und superschnellen Schlagabtausch nach rechts und links beinhaltet. Das gelingt ihm vorzüglich, vor allem, wenn seine Figur, perplex von den sich überschlagenden Entwicklungen, immer abstrusere Lügen auftischt.

Untermieter in Raubtier-Hausschuhen

Herrlich ist sein Gegenspieler und doch auch Verbündeter Norman Bassett, der gar nicht mitmachen will und es dann doch tut’s. Stefan Merten brilliert in dieser komödiantischen Rolle als hilflos-naiver Untermieter, der an das Ehrliche im Menschen glaubt. Im Schlabberlook mit lila Hose, rotem Oberteil und überdimensionierten lustigen Raubtier-Hausschuhen stapft er durch das Stück. Auch er muss die Identitäten wechseln, spielt mal seinen Vater, den Holzfäller, und auch die Vermieterin mit schwarzer Perücke im Ethno-Kleidchen (gelungene Ausstattung: Sabine Lindner).

 Resolute Linda

Seine Vermieterin Linda Swan blickt bei dem Wirrwarr lange nicht durch und wird deshalb kurzerhand in der Küche eingesperrt. Witzig sind ihre Assoziationen zu ihrem „Kofferfund“ mit Requisiten wie BH, Perücke, Kleid . . . Katharina Elisabeth Kram spielt Linda als resolute Frau, die weiß, was sie will. Ein Eheberater soll nicht nur richtiges Atmen lehren, sondern auch wieder ihr eheliches Liebesleben auf Spur bringen. Am Ende aber weiß sie, was sie will: ihren Mann. Eheberater Dr. Chapmann (Benedikt Schulz) weiß sich jeder Situation anzupassen. Brav kniet er vor seiner Kundin, beruhigt sie und folgt ihr willig ins Schlafzimmer.

Mr. Jenkins als Monty-Python-Figur

Alle Figuren leben von der Übertreibung – so ist das in einer Farce. Es gibt auch keine Charaktere, sondern Typen. Köstlich gezeichnet sind die beiden vom Amt: Mr. Jenkins und seine Chefin, Mrs. Cowper. Paul Behrens agiert als eine richtige Monty-Python-Figur; auf die britische Komikertruppe wird im Vorspann hingewiesen. Er spielt eine Parodie auf den britischen Beamten mit teils staksigem und teils federndem Gang, breiten Dauerlächeln, der gern von Tee auf Sherry umsteigt und in der Hauptsache hinter der Unterschrift auf den Papieren her ist. Der Betrug an sich ist ihm egal. Hauptsache er bringt sein Papier unterschrieben ins Büro. Aufkommen darf das aber nicht, sonst ist die Behörde blamiert, ist der Gedanke seiner Chefin, die den Sozialbetrüger schließlich als Wächter über Betrügereien einstellt.  Antonia Reidel spielt den Typ schrullige Britin mit viel Strenge und hintergründigem Witz.

In weiteren Rollen: Reinhard Peer als Onkel Georg, der als Geist-Monster von den Toten aufersteht; Olaf Schürmann als besorgter Bestatter Forbright, der mit Desinfektionsspray und Maske hantiert, um sich gegen vermeintlich ansteckende Krankheiten zu wappnen sowie Tabea Günther als Sally und Katharina Schmirl als Verlobte Brenda.

Regisseurin Veronika Wolff lässt das Stück dort, wo es hingehört, in das Vereinigte Königreich der 1990er Jahre. Das Bühnenbild: ein gut bürgerliches Wohnzimmer mit vier Türen und einer Treppe, blauen  Wänden, Tapeten- und Stoffmustern. Ein Bild der Queen hängt an der Wand, die Katze schnurrt und miaut im Körbchen.

Hohes Tempo und gutes Timing

Das Stück lebt vom feinen Wortwitz und dem dichten Netz aus Verwechslungen. Es ist eine typische „Tür-auf-Tür-zu“-Komödie und man kann hinzu fügen: auch eine „Treppe-rauf-Treppe-runter“-Komödie. Die Regisseurin nutzt diese Gegebenheiten gut aus. Hohes Tempo und gutes Timing sind hier das Wichtigste. Zudem werden Klischees über England bedient, die Schmunzeln machen: das Regenwetter, jeder darf mit Schirm auftreten, die gestrenge Mrs. Cowper sogar mit Gummistiefelchen und unkleidsamen Regenmantel. Es plätschert und stürmt vor der Tür (geschickte Bühnenprospekte mit Blick nach draußen) und am Ende gibt es ein klärendes Gewitter und einen vom Blitz getroffenen Mr. Jenkins. Der Sozialbetrüger wird zum Sozialwächter – diese Absurdität klingt dann schon wieder sehr nach Monty Python.

Weitere Termine:

Landshut

10., 11. November, 15., 16., 30., 31. Dezember (2 Vorstellungen: 16 u. 20 Uhr), 2. Februar, 3. März, 8. März, 19. April

Karten: Tel. 0871/922 08 33

theaterkasse@landshut.de

 

Passau

18. November, 12. Januar, 21. Januar

Karten: Tel.: 0851 / 929 19 13

theaterkasse@passau.de