Donizettis „Liebestrank“ als erste Produktion der Saison am Landestheater Niederbayern
„Der Liebestrank“ von Gaetano Donizetti (1797-1848), 1832 in nur zwei Wochen komponiert, ist die erste musikalische Neuproduktion der Saison 2023/2024 am Landestheater Niederbayern. Am Samstag war Premiere in Passau.
Leichte und unterhaltsame Melange
Die Komische Oper spielt nicht im Baskenland, sondern im Mittelwesten der USA. In klaren und kontraststarken Bildern stellt Steffen Medcalf, britischer international gefragter Opernregisseur, diese Opera buffa auf die Bühne. Am Landestheater Niederbayern inszenierte er bisher Mozarts „La finta giardiniera“ und Verdis „Aida“ sowie „Ariodante“.
Dass er ein Meister seines Faches ist, zeigt auch diese Inszenierung, in der er das Gesamtkonzept, Personen- und Chorregie zu einer wunderbar leichten und unterhaltsamen Melange bündelt.
Man spürt die Hitze förmlich unter dem stahlblauen Himmel und durch die sattgelben Ähren, mit denen sich die Feldarbeiter abmühen. Das Einheits-Bühnenbild von Ausstatter Adam Wiltshire wird geschickt variiert durch den hintersten Bühnenprospekt sowie durch die Requisiten (u. a. Brunnen, Tisch, Veranda, Kühlschrank).
Diese Opera buffa macht ihrem Namen alle Ehre. Der junge verliebte Landarbeiter Nemorino will eine Gutsbesitzerin Adina mithilfe eines Liebestranks erobern. Tristan und Isolde standen dafür quasi Pate. Dass sich das Liebespaar nicht gleich, aber dann doch kriegt, ist eh klar. Der Weg dahin ist unterhaltsam. Auch, weil die Figuren nicht überzeichnet sind.
Vicent Romero als Nemorino
Nemorino (Vicent Romero) ist hier kein tumber Tor; während der Sergeant ihn auffordert, die Rekrutierung mit einem Kreuz zu unterschreiben, unterzeichnet er in der vollen Länge des Namens. Er ist ein schüchterner großer Junge, der sich des Standesunterschieds zur Gutsbesitzerin durchaus bewusst ist. Der spanische Tenor, ein Garant für beste Stimmkultur am Landestheater, begeistert durch sein Spiel und überrascht mit einer sehr ungewöhnlichen Interpretation von „Una furtiva lagrima“. Romero tritt hier nicht die Nachfolge der großen Tenöre an, die meist auf raumgreifendes Forte und Spiel an der Rampe setzen. Er bleibt ganz bei sich, bleibt hinten stehen. Zurückhaltend, verinnerlicht, sehr, sehr lyrisch singt er diese Liebesromanze im zweiten Akt. Grenzen auslotend, vielleicht auch die eigenen. Das dies sehr zu seiner Rolle, die eine komische und traurige Seite hat, passt, haben Dirigent und Regisseur erkannt und darauf gesetzt.
Emily Fultz als Gutsherrin
Seine angebetete Adina wird von der temperamentvollen Emily Fultz mit Sentiment gesungen. Die Amerikanerin begeistert stets mit ihrer wundervollen Koloraturstimme, die sie in dieser Partie in allen Facetten präsentieren kann. Spielfreudig gibt sie die Gutsherrin, die letztlich ein großes Herz hat.
Heeyun Choi als Handelsvertreter
Heeyun Choi, der mit Miroslav Stričević alterniert, singt in der Premiere Dulcamara. Als Handlungsreisender, der mit einem Ford kommt und mit Businessanzug und Melone ausgestattet ist, hat er allerhand Pülverchen und Getränke in seinen beiden Vertreterkoffern. Abgehängte Reklameschilder weisen auf Schlangen-Öl, das alles kuriert, eine Wunderseife und einen Gesundheits-Erneuerer hin. Schlitzohrig erkennt er, dass hier etwas ganz anderes gefragt ist: ein Liebestrank wie bei Tristan und Isolde, den er aus seiner Jacke zaubert. Die Flasche weist auf den berühmten Drink aus den USA hin, der einen Siegeszug um die Welt angetreten hat. Egal ob Wein oder Cola – Hauptsache man glaubt daran. Dass der Bass köstlich komisch sein kann, das beweist er in dieser Rolle.
Kyung Chun Kim als Sergeant
Kyung Chun Kim gibt einen selbstbewussten Macho mit seinem Sergeant Belcore. Er kann nicht nur Revolver wirbeln und Lasso schwingen, sondern ist auch ein gerissener und charmanter Verführer, der mit Kavaliers-Belcanto überzeugt.
Sabine Noack singt und spielt Giannetta. Die Mezzosopranistin hat ihren großen Auftritt im Finale 1 und in der herrlichen Szene mit den Mädchen, für die Belcore auf einmal wegen einer Erbschaft interessant ist. Wie verschwörerische Hexlein auf dem Blocksberg treffen sie sich in der Nacht unter dem Sternenhimmel und schwatzen über Nemorino.
Spielfreudiger Chor
Der Chorregie und der Spielfreude der Choristen ist es zu verdanken, dass keine einzige Chorszene statisch gerät. Die Choreografie von Sunny Prasch unterstützt das. Zudem bildet der Chor, einstudiert von Eleni Papakyriakou und Kathrin J. Brown, ein kompakt klingendes Gerüst für die Solisten.
Energetisch, beweglich führt der neue Chefdirigent Ektoras Tartanis die Niederbayerische Philharmonie durch diese Partitur. Es moussiert. Dem pulsierenden Tempo aus dem Graben folgen Solisten und Chor nur zu gerne. Das Premierenpublikum hat Ektoras Tartanis ins Herz geschlossen. Er stellt sich mit dem „Liebestrank“ erstmals als Operndirigent dem Publikum des Landestheaters Niederbayern vor.
Diese Inszenierung will Freude machen – und tut dies auch. Trotz aller Problematik, die oft und auch zu Recht am Theater thematisiert wird, ist der Aspekt „Unterhaltung“ nicht zu vernachlässigen. Eine Komische Oper will unterhalten. Und wenn es um Liebe geht, kann jeder mitfühlen und mitreden. Musikalisch wie auch szenisch ist dieser „Liebestrank“ ein Volltreffer ins Herz des Publikums.
Weitere Vorstellungen:
Passau
13., 14. Oktober, 4., 5., 24., 25. November, 30., 31. Dezember, 7. Januar, 24., 25. Februar
Karten: 0851 / 929 19 13
Im Internet: theaterkasse@passau.de
Landshut
6., 7., 27., 28. Oktober, 8. Dezember, 21. Januar
Tel. 0871/922 08 33
Im Internet: theaterkasse@landshut.de
Straubing
10. Oktober
Karten: Tel. 09421 / 944 66 155
Im Internet: kulturamt@straubing.de
https://www.landestheater-niederbayern.de