Barock-Oper „Xerxes“ am Landestheater Niederbayern
Ein absolut kurzweiliger Opernabend mit Barockmusik kann herauskommen, wenn das ein Profi wie Regisseur Urs Häberli in die Hand nimmt. So geschehen bei der Inszenierung von „Xerxes“ am Landestheater Niederbayern. Die Barockoper von Georg Friedrich Händel hatte am gestern in Passau Premiere (allerdings leider ohne Chor). Da verfliegen rund drei Stunden im Nu, gefüllt von herrlicher Musik und wunderbaren Koloraturen und einer Inszenierung, die es in sich hat.
Regie: Urs Häberli
Urs Häberli, der Intendant des Pfalztheaters Kaiserslautern, inszenierte schon mehrfach am Landestheater Niederbayern. Aktuell ist von ihm auch die Ralph-Benatzky-Operette „Im weißen Rössl“ zu sehen. Der Schweizer verlegt die Szenerie in eine Villa am Meer mit Badestrand vor der Haustür und einer Einrichtung, die den Lebensraum des Perserkönigs assoziiert: sein Planungstisch für eine neue Brücke, an der er wortwörtlich bastelt, seine Ruhestätte und Ziel der erotischen Wünsche, eine rote Chaiselongue und allerlei Nützliches wie das Meer zum Baden (ein Rettungsring darf in einem modernen Haushalt nicht fehlen), die Küche und den Eisschrank für Getränke. Moderne Holzoptik, Rot, Gold und ein Ausblick auf das Meer. Urs Häberli und sein Ausstatter Marcel Zaba setzen zudem auf eine gute Lichtregie. Die Szene mit dem Tango, den Jürgen Schwenkglenks einstudiert hat, ist bestes Beispiel dafür, dass sie alle Register zu ziehen wissen. Die Kostüme sind mixed, von den 50er bis 70er-Jahren. Von Petticoat, Kastenpulli bis zur Tierfell-Optik und Hawaiihemd plus Flipflops. Und eine besondere Ausstattung hat Ariodate, der hier ein alter Kriegsveteran im Rollstuhl mit ordensgeschmückter Uniform ist.
Es dirigiert Fabio Cerroni
Fabio Cerroni, der italienische Dirigent, Pianist und Cembalist, der regelmäßig an der Bayerischen Staatsoper und mit den Bamberger Symphonikern auftritt, ist genau der Richtige für diese Oper; sitzt er doch wie einst Händel am Cembalo. Die Basso-Continuo-Gruppe ist schließlich das Hauptmerkmal der Barockoper; an diesem Abend ist sie mit Gudrun Petruschka (Theorbe und Barockgitarre), Hartmut Caßens (Violoncello), Christoph Höhn (Fagott), Achim Cichon (Pauke und Schlagzeug) und dem oben genannten Cembalisten bestens aufgestellt. Cerroni ist ein zupackender Dirigent. Gutphrasiert tönt es aus dem Graben. Theorbe und Barockgitarre verstärkten den Barockklang.
Großartige Sabine Noack in der Titelpartie
Dem Dirigenten steht ein agiles Ensemble mit großer Spielfreude zur Verfügung. Die Titelfigur wird von der großartigen Sabine Noack gesungen, die bereits öfters in Hosenrollen betörte. Ihr Xerxes ist ein schillernder König, ein Machtmensch, der es gewohnt ist, sich zu nehmen, was er will. Aber auch Selbstreflexion findet Platz, wenn er vor dem Spiegel singt. Die Personenregie nimmt den Text sehr ernst, so darf Xerxes einen Bonsaibaum hegen, wenn er die berühmte Auftrittsarie „Ombra mai fu“– ziemlich schlank – singt. Der Mezzosopranistin gelingt es, die breite Palette an Emotionen in sieben großen Arien auszuagieren und mit tiefer gestalterischer Kraft auszustatten. Zartes Liebeswerben einerseits und furioser Wutausbruch andrerseits. „Crude furie“ ist ein Glanzstück der Stimmakrobatik. Seine Begehrte ist Romilda, die zwischen zwei Männern steht. Henrike Henoch lässts eine große Bandbreite an Gefühlen hören. Von innigen Tönen der Treue und Reinheit bis hin zu einer aggressiven Attacke gegen ihrer Schwester Atalanta, die ihr den Mann wegnehmen will. Erliegt sie Xerxes? Das lässt die Inszenierung fast offen. Der Geschlechterkampf, dargestellt mit einer beachtlichen Choreografie mit dem möglichen Lotterbett auf der kleinen Bühne, endet immerhin mit einem triumphierend lächelnden Xerxes. Romildas Liebe gehört dem Königsbruder Arsamene, der schließlich verbannt wird. Sarah-Léna Winterberg verkörpert einen burschikosen und doch auch verzweifelten Liebenden. Lyrische Anmut prägt ihren Gesang. Dass sie, wie ihr Text wörtlich sagt, in die Luft gehen möchte, zeigt der Regisseur, der den Text stets ernst nimmt, indem sich der Verbannte als Selbstmord-Attentäter mit Mine gebärdet. Einer der vielen kleinen Gags, die die Inszenierung so erfrischend machen.
Atalanta, die Xerxes will und der keine Intrige zu klein ist, wird herzerfrischend interpretiert von Emily Fultz. Ihre bewegliche Stimme überzeugt auch dieses Mal mit Spitzentönen und einer großen Klarheit, technisch tadellos.
Die von Xerxes verschmähte Amastre, die sich in der Inszenierung als Krankenpflegerin im Chanel-Kittel einschleichen darf, tremoliert leider zu arg.
Als Paraderolle wird Ariodate ausgestattet. Heeyun Choi, wunderbar profunder Bass, als Kriegsveteran meist auf der Bühne präsent und in jeder Sekunde ganz in seiner Rolle als komischer Alter. Da hat sich die Regie einen schönen Schlussgeck einfallen lassen, der das heitere musikalische finale toppt.
Verwandlungsfähigkeit nicht nur in der soliden und schönen Stimme zeigt Miroslav Stričević als Diener Elviro, er darf seinen Blumenhändler weiblich geben und treibt das Spiel mit den Identitäten und Geschlechtern damit in diesem Stück auf die Spitze.
Am Ende gibt es drei Hochzeitspaare, und der General darf per Fernbedienung die Mine als Freuden-Feuerwerk zünden.
Unbedingt hingehen!
Weitere Vorstellungen:
Passau
- November, 01., 02., 29. Dezember, 19., 20. Januar, 4.Februar
Karten: 0851 / 929 19 13
Im Internet: theaterkasse@passau.de
Landshut
18., 19. November, 9., 10. Dezember, 13., 14. Januar, 18. Februar
Tel. 0871/922 08 33
Im Internet: theaterkasse@landshut.de
Straubing
- November
Karten: Tel. 09421 / 944 66 155
Im Internet: kulturamt@straubing.de
https://www.landestheater-niederbayern.de