Bruckner mit zeitgenössischer Preziose

Die Sinfonietta Passau mit Dirigentin Papakyriakou in St. Peter in Passau. © Edith Rabenstein

Sinfonietta Passau bietet Deutsche Erstaufführung von Philipp Ortmeier

Vor einem Jahr hat die griechische Dirigentin Eleni Papakyriakou die Sinfonietta Passau als neue Klangkörper gegründet und ehrgeiziges Programm versprochen – mit Anton Bruckner-Sinfonien im Jubiläumsjahr 2024 zum 200. Geburtstag des Komponisten, der lange im Stift St. Florian wirkte und dort begraben ist. Schon im Gründungsprogramm präsentierte sie Bruckners Vierte.

Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur

Mit dem aktuellen Programm hat sie das Versprechen eingelöst; mit Bruckners Sinfonie Nr. 7 E-Dur steht seine meistgespielte Sinfonie auf dem Programm. Mit deren Uraufführung in Leipzig 1884 gelang dem Komponisten der entscheidende Durchbruch. Sie ist die einzige des Österreichers, von der es nur eine Fassung gibt.

Großes musikalisches Einfühlungsvermögen

Hoch konzentriert: Dirigentin Eleni Papakyriakou. © Edith Rabenstein

Schon nach wenigen Takten zeigt Eleni Papakyriakou ihren Zugriff. Sie entwickelt ein Klangbild, das warm ist, aber nicht hochromantisch. Neben emotionalen und romantischen Sinnzusammenhängen schälen sich auch rationale heraus. Das ist nur folgerichtig, denn das Werk ist in seiner Anlage ausgewogen und übersichtlich. Dabei findet die Dirigentin, die auch das Passauer Studentenorchester leitet, das richtige Maß.

Das Publikum in der vollbesetzten Kirche St. Peter in Passau mit rund 500 Plätzen wartet natürlich auf die bekannteste Passage, das berühmte Adagio mit den Wagner-Tuben als ruhevollen Abgesang. Hier beweisen der Klangkörper und seine Dirigentin großes musikalisches Einfühlungsvermögen.

Der Dirigentin gelingt es, die Klangschichtungen in diesem monumentalen Werk fein nuanciert hörbar zu machen. Dabei folgen ihr die Musiker, die freiberufliche Profis oder Studierende an den Musikhochschulen sind, penibel. Papakyriakou zupackende Art, gepaart mit Exaktheit und Temperament, ist genau die richtige Dosis, um den großen Klangkörper (insgesamt 65 Musiker) zusammenzuhalten.

Die Bruckner-Interpretation erhält Standing Ovations und viele „Brava“-Rufe für die Dirigentin.

Philipp Ortmeiers deutsche Erstaufführung „Tree auf Live“

Deutsche Erstaufführung von „Tree of Life“ in seiner Heimatstadt: Philipp Ortmeier in ST. Peter in Passau. © Edith Rabenstein

Ein Bravo hat auch der Beginn des Konzerts verdient. Eleni Papakyriakou betont in ihrem Vorwort des Programmheftes, dass die Sinfonietta Uraufführungen bringen will, bevorzugt von lokalen Künstlern. Philipp Ortmeier, dessen „Tree auf Live“ für Sopran und Orchester auf dem Programm, steht, ist bereits mehr als das; er ist schon international unterwegs. Der Passauer Musiker und Komponist hat mit dieser Komposition  den ersten Preis der „Orient/Occident International Composers Competition“ in Lemberg (Ukraine). Große Teile des Werkes komponierte er während eines Stipendiums in Virginia/USA. Beim Kompositionswettbewerb in Lemberg erlebte der „Lebensbaum“ seine Uraufführung durch die dortige  Nationalphilharmonie.  Jetzt findet also die deutsche Erstaufführung in Passau statt.

Das dreiteilige Werk („Creation“, „War“ und „Prayer“) ist nach dem sogenannten Lebensbaum benannt. Es ist eine aufwühlende Komposition. Während der erste Teil wie organisch zu wachsen scheint, wunderbar zu Gehör gebracht durch das immer stärker anwachsende Orchester, ist der zweite Teil explosiv. In „Krieg“ gibt es viele Schichtungen, emotionale Momente und auch Marschrhythmik, ein expliziter Hinweis auf marschierende Truppen. Zutiefst berührend am Schluss mit „Miserere mei deus“ (Gott, erbarme dich meiner), gesungen von der Mezzosopranistin Sarah Romberger. Das strikte Pianissimo des Orchesters lässt das Gebet über der Musik schweben und stellt eine Transzendenz her. Dieses Werk ist eine zeitgenössische Preziose mit emotionalem Tiefgang!

Auch hier überzeugt die Dirigentin – wie auch bei der Bruckner-Sinfonie – durch ihre fein abgestufte Dynamik und das präzise gesetzte Tempo.

Die vier eingängigen und sehr bekannten Lieder Gustav Mahlers aus Clemens Brentanos Gedichtsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ passen mit ihrem leichten, lieblichen und ländlichen Ton nicht nach dem ergreifenden „Tree of Life“ Ortmeiers. Das wirkt wir ein schroffer Interruptus. Zudem gelingt es Mezzosopranistin Sarah Romberger in weiten Teilen nicht, über das Orchester zu kommen. Die Besucher ab Mitte der Kirche haben kaum etwas gehört.

Heute wird das Konzert um 17 Uhr in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Deggendorf noch einmal gegeben. Unbedingt hinfahren!