Arbeiterjunge trifft Adelsgesellschaft

Ensembleszene mit v. l. Daniel Preis, Andreas Schneider, Jan Bastel, Reinhild Buchmayer, Cornelia Mooswalder, Henrike Henoch und dem Chor. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Große Klasse: Musical „Me and My Girl am Landestheater Niederbayern“

Eine absolut tolle Inszenierung ist dem Landestheater Niederbayern mit der Produktion von „Me and My Girl“ gelungen. Da passt einfach alles!
Das Musical von Noel Gay aus dem Jahr 1937 erzählt die Geschichte des jungen Arbeiters Bill Snibson, der der rechtmäßige Earl von Hareford ist; die Familie und Adelsgesellschaft ist von dem „Cockney-Gentleman“ natürlich gar nicht begeistert. Tante Maria führt eine Umerziehung durch – und zwar rund drei Jahrzehnte vor Mr. Higgins an Eliza Doolittle.
Dass „Me and My Girl“ selten gespielt wird, hat Intendant Stefan Tilch und den britischen Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman nicht abgehalten, das Musical an das Landestheater Niederbayern mit seinen drei Spielstätten in Landshut, Passau und Straubing zu holen. Neben Gästen aus der Musicalwelt holten sie sich auch das britische Ausstatterduo Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels, das schon Bühne und Kostüme mehrerer Tilch-Inszenierungen ausstattete und ein besonders gutes Händchen für Musical hat. So hat das Duo u. a. „My fair Lady“, „Spamalot“, „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ und „Westside Story“ ausgestattet.

Landestheater-Intendant Stefan Tilch ist ein Musical-Spezialist

Intendant Stefan Tilch produziert in der zweiaktigen musikalischen Komödie „Me and My Girl“ knallbunte Bilder, lässt das Beziehungsgeflecht der englischen Adelssociety wundervoll leicht und treffend karikieren und stellt die Welt der Arbeiter in der Eastside Londons einfach und doch stimmungsvoll dar. Mit Musikdramaturgin Swantje Schmidt-Bundschuh hat er die Texte der Bearbeitung von Stephen Fry umgeschrieben. Aus der Cockney-Sprache, die man ohnehin nicht verstehen würde, wurden Kalauer der Running Gag. Bewundernswert: Den beiden Autoren ging die Fantasie nicht aus. Typisch Englisches musste man da nicht missen: Shortbread und Clotted Cream fehlten ebenso wenig wie das goldene Tässchen, aus dem der Adel trinkt, und das silberne Besteck, das das Dienstgeschwader putzt.
Dem spielfreudigen Ensemble mit zwei Gästen aus der Musicalszene merkte man die Lust an dieser Musikkomödie an.

Jan Nicolas Bastel ist ein Bühnentier

Im Mittelpunkt stand Jan Nicolas Bastel. Der Schauspieler, Sänger und Tänzer ist ein absolutes Bühnentier; in jeder Sekunde zu 100 Prozent präsent. Sei es als auf der Couch lümmelnder Bengel, als treuer Romantiker in der Bar oder als tapfer mit den Geistern aus der Ahnengalerie Kämpfender. Begeistert hat er als Tänzer auch durch seine hohen Sprünge! Flexibel zeigt er sich in sämtlichen Tanzstilen, so legt er auch mit Kollegin Cornelia Mooswalder einen Stepp aufs Parkett. Sie ist ihm eine ebenbürtige Partnerin als Sally, die im „Lambeth-Walk“ beim Adel auftrumpfen kann. Dies ist der größte Hit des Musicals, den der Diktator Adolf Hitler verbieten ließ, weil er ihn für jüdisch hielt. Choreografin Sunny Prasch nutzt die kleine Passauer Bühne sehr geschickt aus – alle Tänze funktionieren erstaunlich gut, die Tanzszenen sind reizend choreografiert.

Federnder Rhythmus unter Generaldirektor Basil H. E. Coleman

Generaldirektor Basil H. E. Coleman, der auch als „Barpianist“ auf der Bühne zu sehen ist, breitet zusammen mit der Niederbayerischen Philharmonie einen durch und durch leichten, federnden und swingenden Rhythmusteppich aus, der alle Darsteller mitnimmt: Henrike Henoch, die die ältliche gestrenge Herzogin Maria herrlich blasiert und doch mit Herz spielt; Reinhild Buchmayer, die als Lady Jacquie das ganze Register ihrer Verführungskünste (vergeblich) zieht; Peter Tilch, der sich als Sir Treymane hinter der Maske eines Zynikers versteckt, und Daniel Preis, dessen Hang zur Komödie bereits in anderen Produktionen auffiel, kriegt als von der Metapher-Krankheit befallener Gerald am Ende doch noch seine Jacquie. In weiteren Rollen: Miroslav Stricevic als Anwalt und Paul Färber als Butler sowie der stattliche und von Eleni Papakyriakou bestens einstudierte Chor, der sich als tennisspielende Sommerfrischler genauso gut macht wie als Personal in der Gesindeküche.
Am Ende schreiten drei Bräute zur Hochzeit: „Love Makes The World Go Round“. Wie erfreulich wahr!

Vorstellungen am Landestheater Niederbayern:
In Landshut: 28., 29. Mai; 3., 4. Juni
In Passau: 22., 23., 24. April; 6., 21. Mai; 18., 19. Juni
In Straubing: 24. Mai
Infos und Karten: www.landestheater-niederbayern.de