Bayernausstellung 2022 beleuchtet Bierwirtschaft und Freizeitverhalten
Die neue Bayernausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg die am 29. April von Ministerpräsident Markus Söder eröffnet wird, behandelt eines der Lieblingsthemen der Bayern: das Wirtshaus. Es ist auch eines der Lieblingsthemen des Ausstellungsmachers und Chefs des Hauses der Bayerischen Geschichte, Dr. Richard Loibl. Warum ein so allgemeines Thema? Diese Frage beantwortete er beim Presserundgang zusammen mit Projektleiter Dr. Michael Nadler: „Die Krise in der Wirtshauslandschaft ist großes Thema bei den Medien, der Politik und den Bayern.“ Deshalb wurde dazu geforscht, warum die Krise der Wirtshäuser so besondere Gefühle auslöst. Die Ausstellung zeige quasi die Forschungsergebnisse, so Loibl.
Die Statistik spricht für sich
Er nannte einige Entwicklungen im 20. Jahrhundert: Ab den 1960-er Jahren werden die klassischen Schankwirtschaften immer weniger. Mit der Entwicklung der Getränkemärkte ziehen sich die Menschen und mit ihnen das „Feierabendbier“ ins heimische Wohnzimmer – häufig vor den Fernseher – zurück. Immer mehr Vereine gründen Vereinsheime, wo die Geselligkeit nach Treffen und Turnieren stattfinden. Die Vereine ziehen sich aus den Wirtshäusern zurück. Und: Nicht zuletzt die Corona-Pandemie schmälerte das Wirtshausleben.
Die Statistik spricht für sich: Seit 1847 sammeln die bayerischen Statistikbehörden Daten über die Gastronomie. Schauen wir auf die letzten Zahlen: Zwischen 2008 und 2019 ist die Zahl der Schankwirte um über ein Viertel gesunken. Im selben Zeitraum haben 2400 Wirte geschlossen.
650 Exponate in acht Kabinetten
„Wirtshaussterben? Wirtshausleben!“ heißt die Schau, die rund 500 000 Euro gekostet hat und den Besucher in acht Kabinetten rund 650 Exponate zeigt; 140 davon sind Originale.
Wer die Schau im Erdgeschoss betritt wird von einer riesigen Installation aus rund 400 Objekten in 800 Teilen – hier dreht sich alles ums Wirtshaus: Vom Fleischwolf über den Klodeckel bis hin zur Stammtischordnung. Ein Sammelsurium, das bei jedem Assoziationen erweckt. Die Installation, die den Namen „Explosion“ trägt, war die Idee des Ausstellungsarchitekten Friedrich Pürstinger.
Geselligkeit und Zechen bei den Künstlern
Schwarz ausgekleidet sind die Kabinette zu den einzelnen Themen: Eine Rückblende zeigt Wirtshauskultur lange bevor es das Wort gab: eine Wirtshausszene auf einem römischen Relief auf dem 2./3. Jahrhundert nach Christus. Reizend ist eine Miniatur aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbruderstiftung, die schmausende Trinker als Buchmalerei von 1470 zeigt. Becher und Schalen aus dem Nürnberger Nationalmuseum zeigen die Vorläufer unserer Trinkgefäße.
Dass Geselligkeit und Trank zusammengehörten und gehören, war auch Motiv bei den Künstlern. So zeigt ein unbenanntes Gemälde von Moritz Carl Friedrich Müller aus dem Jahr 1862 Zecher in einem Münchner Biergarten. Ein Ölgemälde von Matthias Schmid (in Kopie) aus den 1880er Jahren zeigt, was auch heute noch gilt: Wirtshaus und Anbandeln gehören zusammen. Keck greift ein Bursche einem Mädchen in Tracht ans Mieder.
Die Schützenlisl: Ein It-Girl seiner Zeit
Natürlich hängt auch die Ikone der bayerischen Wirtshauskultur im Original in dieser Ausstellung: „Die Schützenlisl“ von Friedrich August von Kaulbach aus dem Jahr 1881. Dies ist das größte und wertvollste Exponat. Die fröhlich auf einen Bierfass balancierende Kellnerin ist das Sinnbild für bayerische Gemütlichkeit und Trinkfreudigkeit. Heute würde man sagen: Sie ist ein It-Girl ihrer Zeit. Später begegnen wir diesem Biermadl noch in Form einer Porzellan-Plastik und zahlreicher witziger Kartenmotive: „Sauft Brüder Sauft!“ ist ihr Werbespruch.
Bayern – das ist Bier und Gemütlichkeit
Das Bild des gemütlichen Bayerns habe sich in der ganzen Welt verbreitet, so Loibl. Die Weltausstellungen ab dem 19. Jahrhundert nannte er als Beispiele, die gerade die Münchner Brauer sehr schnell als ihre Werbeplattform zu nutzen wussten. Bierkrüge waren die ersten Werbeträger; Auf der Weltausstellung in Brüssel 1935 wurde z. B. ein „Haus Oberbayern“ aufgebaut mit Alpenkulisse und Biergarten-Gemütlichkeit, wie eine Grußkarte zeigt. Bayerische Bierpaläste standen nicht nur in der weiß-blauen Hauptstadt, sondern bald in aller Welt. Karten, Stiche Plakate geben ein hübsches Zeugnis davon.
Das Wirtshaus lebt von Persönlichkeiten. Die kommen in der Schau nicht zu kurz: Der Besucher begegnet dem „Wirte-Napoleon“ Richard Süssmeier dem Schmalzlerfranzl, dem Harmonika-Spieler Jokl Zanker und auch „Zeitzeugen“ aus verschiedenen bayerischen Wirtshäusern, die in Hörstationen ihre Geschichten erzählen.
Politische Veranstaltungen
Auch politische Veranstaltungen im Wirtshaus sind ein Thema: Risikoreich waren sie in den 1930-er Jahren und endeten nicht selten mit Saalschlachten. Uniformen sind hier markante Stücke. Die markantesten politischen Veranstaltungen unserer Zeit dürfen da nicht fehlen: der Nockherberg als Politiker-Derblecken ist durch einen Klingelbeutel von der Salvatorprobe vertreten, ein Requisit aus dem Jahr 2009. Das Rednerspult aus dem Wolferstetter-Keller in Vilshofen ist ausgestellt, wo der Politische Aschermittwoch seinen Anfang nahm. Zu hören sind auch exemplarische Aschermittwochs-Redner. Der Passauer Aschermittwoch ist mit einer Original-Toilettentür aus der Nibelungenhalle vertreten.
Die Zukunft des Wirtshauses
Wie es mit dem Wirtshaus weitergehen kann? Auch das stellt ein Kabinett vor. Lifestyle im Wirtshaus durch eine Mode-Präsentation, ein Wirtshaus Drive-In (schon in der Pandemie erprobt) oder seine „Bazi-Box“, die bayerisches Schlemmen im Kleinformat verspricht. Und: Der Besucher kann sich per Button mitteilen, ob er zu den Wirtshausgehern oder den Couch-Potatoes gehört.
Film mit Gerhard Polt
Ein absoluter Gewinn für die Besucher ist der Film zur Ausstellung von dem ehemaligen BR-Redakteur Michael Bauer. Er schafft ein eindrucksvolles Porträt der bayerischen Wirtshauskultur – von Andechs bis Pfarrkirchen. Kein geringerer als Gerhard Polt kommt zu Wort, der die Wirtshäuser als „behagliche Wärmestube des Zusammenlebens“ charakterisiert. Weiter sagte er: „Wer keine Stammtischerfahrung hat, hat nichts gelernt.“
Großes Auftaktfest
„Wirtshaussterben? Wirtshausleben!“ eröffnet mit einem großen Auftaktfest: Freier Eintritt in alle Ausstellungen des Hauses der Bayerischen Geschichte, verlängerte Öffnungszeiten und spannende Aktionen auf dem Donaumarkt erwarten die Besucherinnen und Besucher am ersten Ausstellungswochenende. Gleichzeitig startet das hochkarätige Rahmenprogramm.
Los geht es bereits am Freitag, 29. April: Direkt nach der offiziellen Eröffnung können Besucherinnen und Besucher von 16 bis 20 Uhr kostenlos alle Ausstellungen und Filme des Hauses der Bayerischen Geschichte besuchen. Am Samstag und Sonntag, 30. April und 1. Mai, sind Bayern- und Dauerausstellung dann von 9 bis 21 Uhr geöffnet – und auf dem Donaumarkt, direkt vor dem Haus der Bayerischen Geschichte, dreht sich alles ums Thema Bier. Eisblockschnitzer, Verkostungen, launige Vorträge und ein Sensorium zum Riechen, Schmecken und Tasten sowie Spielstationen für Kinder locken ans Donauufer.
Öffnungszeiten und HDBG-Magazin
Die Ausstellung ist geöffnet vom 30. April bis zum 11. Dezember, Dienstag bis Sonntag. 9 bis 18 Uhr
Zur Ausstellung erscheint die 8. Ausgabe des HDBG Magazins. Die Schau im Haus der Bayerischen Geschichte Regensburg wird von einem Rahmenprogramm mit Festivalcharakter ergänzt.
Weitere Informationen dazu unter www.hdbg.de/wirtshausleben.