„Madame Butterfly“ bei Bregenzer Festspielen

Madame Butterfly (Barno Ismatullaeva) mit den gesichtslosen Figuren aus einer mythischen Welt. © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Inszenierung auf der Seebühne überzeugt nicht

Wenn man schon mehrmals bei den Bregenzer Festspielen war, dann erwartet man Spektakuläres. In meinem Gedächtnis sind aufsehenerregende Bühnenbilder: ein meterhohes Skelett, das in einem gigantischen Buch blättert („Maskenball“), tanzende Riesenpuppen („Hoffmanns Erzählungen“), ein Auge im XXL-Format („Tosca“ – da war ich zufällig, als auch Daniel Craig da war. Das Bühnenbild war in  dem 007-Film „Ein Quantum Trost“ zu sehen), mehrere große Hände mitbeweglichen Spielkarten („Carmen“) oder die fast 30 Meter hohen Drachenhunde („Zauberflöte“).

Publikum zum Teil enttäuscht

In dieser Hinsicht gibt es heuer Magerkost heuer. Die Oper „Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini steht für zwei Jahre auf dem Programm. Diese Oper erzählt von einer großen Liebe, einem Kulturclash und einer großen Enttäuschung. Die hat sich auch in Teilen des Publikums abgezeichnet. Obgleich man Glück  hatte, wenn man nicht in der Premiere war, denn die wurde wegen schlechten Wetters abgebrochen.

Bühnenbild: Ein Reispapier mit Grafik

Das Bühnenbild von Michael Levine wirkt wie ein herabfließender Stoff. Erst wenn man mit dem Operngucker genau hinsieht, erkennt man: Es soll ein Reispapier sein, auf dem zahlreiche kleine Motive gezeichnet sind. Bäume, Büsche, Felsen, Berge, auch eine Pagode meint man zu erkennen. Also eine feine Tuschezeichnung auf Reispapier, wie es typisch für die japanische Grafik ist, was aber die meisten Zuschauer, die keinen Operngucker dabei haben, nicht sehen. Für die meisten wirkt es eintönig. Eingearbeitet in diese meterhohe Konstruktion, die nach den Infos der Festspiele 300 Tonnen wiegt sind lange und immer gleich abzulaufende Wege.

Poetische Bildsprache und Personen-Regie

Darauf und auf einer Vorbühne spielt sich das Geschehen um die japanische Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, und ihre Liebe zum amerikanischen Marineleutnant Pinkerton ab. Regie führt Andreas Homoki, der Intendant des Opernhauses Zürich. Angesichts der kammerspielähnlichen Struktur der Oper, die eigentlich für die Seebühne nicht geeignet ist, konzentriert er sich auf die Personen-Regie, entwirft eine poetische Bildsprache, die allerdings in einem Haus besser funktionieren würde als auf der großen Seebühne. Butterfly stellt er ein Geschwader von maskentragenden Figuren (Tänzerinnen) an die Seite, die sie verfolgen. Man könnte sie als die Ahnen, die ja in der japanischen Kultur eine große Rolle spielen, oder Geister aus dem Jenseits sehen. Sie werden es sein, die ihr das Waffe für den Selbstmord reichen.

Butterfly als Lady Liberty

Ansonsten konzentriert er sich auf den Gegensatz der Kulturen. Die Flagge „Stars and Stripes“ bohrt sich wie ein Phallus-Symbol durch das japanische Reispapier; später wird sich Butterfly in sie einwickeln und posen wie Lady Liberty. Auch das Kostüm des kleinen Sohnes erinnert an die Fahne, der in ihrem Muster ein kleines Boot auf die Reise ins Wasser schickt.

Während der US-Marine Pinkerton, der sie in einer einheimischen Hochzeitszeremonie ehelicht, und der US-Gouverneur Sharpless sowie die spätere Mrs. Pinkerton in knallig-bunten Kostümen die amerikanische Welt symbolisieren, zeichnet sich die japanische durch Tradition aus. Kostümbildner Antony McDonald orientiert sich am japanischen Kabuki-Theater und lässt eine große Schar von Geishas in ihren traditionellen Kostümen mit Schirmchen und mit dicker Schminke in Trippelschritten die langen Wege gehen. Das wirkt unfreiwillig komisch.

Auch wenn das Bemühen um poetische Bilder (mit einem Meer an Blumen für den Geliebten) sichtbar ist, wirkt die Inszenierung hausbacken.

Wundervolle Sänger-Darsteller

Aber zum Glück sind da die wundervollen Sänger-Darsteller und die doch feine Personenregie. Die Überraschung des Abends ist Edgaras Montvidas als Pinkerton. Der Tenor mit sehr schöner und strahlender Stimme bleibt nicht der oberflächliche Betrüger, sondern bereut ehrlich, was er getan hat, geht zerknirscht zu Boden, als er das Ausmaß der Dramatik erkennt. Selten hat man einen Pinkerton so leiden sehen!

Barno Ismatullaeva aus Usebekistan hat alles, was eine Butterfly braucht. In dieser Rolle debütierte die Sopranistin in Deutschland an der Oper in Nürnberg. Sie stellt glaubhaft das naive Mädchen und dann die zutiefst und leidenschaftlich liebende Frau dar. Die Zartheit der Lyrismen kann sie ebenso gut wie das Feuer der leidenschaftlichen Ausbrüche. Und sie hat eine starke Präsenz, um diese riesige Bühne zu beherrschen. Das macht sie fabelhaft.

Brian Mulligan ist ein warnender Sharpless, Taylan Reinhard ein gierig-witziger Heiratsvermittler Goro. Patrik Reiter ist ein stimmschöner Heiratswerber Yamadori, der auf einer Sänfte durchs Wasser herbei getragen wird. Überzeugend im Spiel und mit warmer Mezzostimme ist Annalisa Stroppa als Dienerin. Sabine Winter ist eine mitleidige Mrs. Pinkerton. Sie und Butterfly verbindet die Farbe Rosa in den Kostümen, bei der Amerikanerin schreiend und knallig, bei der Japanerin zart und zurückhaltend.

Ende der japanischen Tradition oder ein Schlusseffekt?

Pinkerton kommt per Schiff und mit Frau, um seinen Sohn zu holen. Spontan denkt man sich, dass hätte man wirklich gut vom Wasser aus inszenieren können und mit ein paar Marines noch Bewegung in die oft statische Inszenierung bringen. Aber das wird nur durch ein auf dem Reispapier angeleuchtetes Schiff angedeutet, was man wiederum ohne Opernstecher nicht erkennen kann . . .

Am Ende geht das Reispapier in Flammen auf. Digitales Feuer kriecht nach oben, wo echte Flammen züngeln.

Ende der japanischen Traditionen? Oder einfach nur ein Schlusseffekt auf der Seebühne in einer effektarmen Inszenierung? Eine Logik konnte man hinter diesem Feuerzauber nicht erkennen.

Musikalisch ist diese „Madame Butterfly“ top

Musikalisch ist diese „Madame Butterfly“ – in der ersten Besetzung, die ich gesehen habe – sehr gelungen. Der italienische Dirigent Enrique Mazzola ist erste Wahl für Puccini- und Verdi-Opern. Er führt die Wiener Symphoniker sicher durch die reiche Farbpalette Puccinis und arbeitet auch Details heraus. Es schafft einen großen musikalischen Bogen. Es gelingt ihm mühelos eine passgenaue Koordination mit den Sängern. Bregenz gilt als besonders schwierig, denn das Orchester sitzt in einem Haus hinter den Zuschauern, weit weg von der Bühne. Mazzola dirigiert hier nicht das erste Mal. Und hoffentlich auch nicht das letzte Mal. Ihm gelingt es, den Opernabend doch noch zu einem großen musikalischen Erlebnis zu machen.

Die Bregenzer Festspiele gehen noch bis 21. August, täglich außer montags. Es gibt drei Besetzungen.

 

www.bregenzerfestspiele.com