„Boeing, Boeing“ am Landestheater Niederbayern

Umwerfender Kuß: Jacqueline (Katharina Elisabeth Kram) mit Bernard (Julian Ricker). Freund Robert (Stefan Merten) bleibt das Zusehen. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Aberwitziger „Transitverkehr“ mit Chaos

Boulevardkomödie in der Regie von Veronika Wolff

Ein Mann mit drei Frauen, die nicht voneinander wissen, kann das gut gehen? Der französische Beau Bernard meint ja, wenn die Liebeleien mathematisch nach dem Flugplan organisiert sind. In der Verfilmung mit Tony Curtis und Jerry Lewis wurde „Boeing, Boeing“ von  Marc Camoletti ein Kinohit; als Theaterstück kam das Stück ins Guinness-Buch der Rekorde. Jetzt ist die klassische Boulevardkomödie am Landestheater Niederbayern erstmals zusehen. Am Freitag war Premiere in Passau.

Diese Boulevard-Komödie unterhält auch heute noch, wenn man sie locker und schnell serviert. Dies tat Gastregisseurin Veronika Wolff. Timing ist hier das Zauberwort. Das war an diesem Abend perfekt. Denn schnell muss der verbale Schlagabtausch erfolgen, ebenso rapide die Auf- und Abtritte durch die vier Türen, die meist zugeschlagen werden, temporeich sind auch das Umdekorieren der Wohnung und das Versteckspiel in den Zimmern.

Klischees über Frauen und Männer

Das Stück nimmt die Klischees über Frauen und Männer auf die Schippe, der Wortwitz überzeugt auch heute noch. Mit den drei Stewardessen werden quasi Prototypen ihrer Zunft dargestellt: die verführerische Französin, die naive, liebliche Schweizerin und die selbstbewusste Amerikanerin. Sie alle vertreten ihre nationalen Fluglinien. Da sich am Himmel aber Planänderungen ergeben, kommt es auf Erden fast zu Kollisionen.

Schwenkt die US-Flagge und küsst Robert: Janet (Friederike Baldin und Stefan Merten). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Den drei Flugbegleiterinnen geben die Schauspielerinnen am Landestheater eine eigene Fasson. Friederike Baldin spielt die selbstbewusste Janet, trägt die Nationalfarben im Stewardessenkostüm, verlangt nach Eiern und Tomatensaft – und hat zwei weitere Liebhaber. Für sie ist der smarte Franzoseauch nur ein Zwischenstopp.

Katharina Elisabeth Kram schlüpft in das hochgeschlitzte Stewardessen-Kostüm der Jacqueline. Sie ist bis über beide Ohren in Bernard verliebt – und weiß immer wieder ihre Rechte als „Verlobte“ einzufordern. Das französische Cherie wird ihm schließlich bleiben.

Die Schweizerin Judith (Ella Schulz) verliebt sich in Robert (Stefan Merten). © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Die dritte im Bunde ist Schweizerin Judith, gespielt von Ella Schulz, eine herrliche Naive, die aus dem Frauen-Trio ausschert, weil sie sich in Robert, Bernards Freund verliebt. Alle drei agieren mit Sprachakzenten und Klischees, die den jeweiligen Nationen anhaften. Alle drei werden in aufreizenden Tanz-Posen beim Küssen in die Waagrechte gebracht, bis das Schweizer Spätzli den Spieß umdreht . . .

Neu im Ensemble: Stefan Merten

Stefan Merten aus Euskirchen schloss 2012 die Schauspielschule am Deutschen Zentrum für Schauspiel und Film Köln ab und war seitdem hauptsächlich an Theater- und Filmschauspieler im Rheinland und Ruhrgebiet beschäftigt. In „Boeing, Boeing“ präsentiert er sich erstmals dem Publikum des Landestheaters Niederbayern. Hier ist er als Komödiant erster Klasse zu erleben. Er spielt Robert, der von der Provinz in die Hauptstadt kommt und hier in den Liebesreigen seines Freundes hineingezogen wird. Erst moralisch entrüstet, findet er – vor allem nach diversen Küssen mit den Gespielinnen Bernards – Gefallen an dem Treiben und mischt mit: Da werden die Bilder der Freundinnen im Wechselrahmen getauscht, ebenso die Andenken im Regal von der Freiheitsstatue über den Eifelturm bis zur Kuhglocke und auch „verräterische“ Sofakissen und Handtücher. Das alles blitzschnell – und oft im Zusammenspiel mit Berthe, die alles arrangiert („Das ist kein Leben für ein anständiges Dienstmädchen“).

Antonia Reidel als Dienstmädchen

Das Hausmädchen (Antonia Reidel) macht Robert (Stefan Merten) Avancen. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Antonia Reidel gibt sie mit rasch wechselnden Emotionen: mal süffisant, mal bissig, mal leidend, mal herrisch, mal offensiv. Schließlich will das Dienstmädchen bei all dem Treiben auch noch mal Erotik abbekommen.

Im Zentrum des Kommens und Gehens steht Bernard, von Julian Ricker als lässiger und charmanter Franzose gespielt; er glaubt, die Fäden in der Hand zu halten, die ihm aber dann von dem Geliebten-Trio, seiner Haushälterin und nicht zuletzt dem Freund aus der Hand genommen werden.

Stück spielt im Paris der 1960er-Jahre

Die Regisseurin belässt das Stück dort, wo es angesiedelt ist: in den 1960er-Jahren. So zeigt das Bühnenbild (Ausstattung: Beata Kornatowska), eine Wohnung mit Blick auf dem Eifelturm (vor dem auch manchmal Flugzeuge schweben) mit funktionalem Holzeinbau und Requisiten aus dieser Zeit; auch die Kostüme und Perücken sind dort angesiedelt: ein Must have für den Mann von damals: enger Pullover und Rüschenhemd. Die Entre-Act-Musik besteht aus französischem Chansons und Flugzeugdurchsagen.

Während der „Entdecker des Systems“ am Ende solide wird, ist Freund Robert auf den Geschmack dieses  „Transitverkehrs“ gekommen.

Mit „Toujours l`amour“ ist beste Unterhaltung ist garantiert.

Weitere Vorstellungen:

In Passau:

  1. Oktober; 4., 5., 6. November; 2., 3. Dezember; 3., 4. Februar 2023, 12. März; 13., 15. Mai

Theaterkasse: Tel.: 0851 / 929 19 13

theaterkasse@passau.de

 

In Landshut:

  1. November; 16. Dezember, 30. Dezember, 31. Dezember (2 Vorstellungen!); 19. März 2023; 16. April; 21. Mai; 2./3. Juni

Theaterkasse: Tel. 0871/922 08 33

theaterkasse@landshut.de

 

In Straubing:

  1. Dezember

Tel. 09421 / 944 69 199

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