Friedrich Hirschls neuer Gedichtband „Ein Rest von Blau“

Lyriker Friedrich Hirschl. © Nicole Schaller

Eine Preziose auf dem Markt der Poesie

Lyriker haben es heutzutage nicht leicht. Anthologien, in denen sie veröffentlichen können, gibt es immer weniger; die Verleger ziehen sich von dieser literarischen Gattung immer mehr zurück.  Nicht so der Lichtung Verlag  in Viechtach.

Zweiter Band in der edition lichtung

Sie gab dem Passauer Lyriker Friedrich Hirschl eine Verlagsheimat, nachdem der Passauer Verleger Karl Stutz 2015 gestorben war. Nach „Stilles Theater“ hat der Verlag im Bayerischen Wald nun den zweiten Band von Friedrich Hirschl in seinem Programm:  „Ein Rest von Blau“ erscheint in der Reihe edition lichtung. Es ist der neunte Band des Theologen und Dichters, der 1956 in Passau geboren wurde. Er studierte Theologie und Philosophie, arbeitete früher als Lehrer und ist jetzt freier Schriftsteller. Friedrich Hirschl ist Mitglied des Passauer Literaturkreises, der Regensburger Schriftstellergruppe International (RSGI) sowie ständiges Jury-Mitglied des alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Jungautorenwettbewerbs der Regensburger Schriftstellergruppe International ab 2004.

Cover mit Werk von Bernadette Maier

Das Cover mit einem Motiv der Künstlerin Bernadette Maier aus Vilshofen. © Lichtung Verlag

Hirschl legt zusammen mit seinem Verlag Wert auf ein gediegenes und edles Aussehen.  Ein Bild der Künstlerin Bernadette Maier aus Vilshofen schmückt den Einband. Gut liegt der Band mit 190 Seiten in der Hand. So gut, dass man ihn gar nicht weglegen will. Blau dominiert nicht nur den Titel, sondern auch die Optik.

Himmel gibt es bei Hirschl viel

Blau, die Farbe der deutschen Romantik, die Sehnsuchtsfarbe, die Farbe des Himmels.

Himmel gibt es bei Hirschl viel: der nächtliche, der bedeckte, der abendliche, der leergefegte, der flüsternde, der flüchtig denkende, der vom Hochkran auf den Arm genommene, der schmeichelnde

. . . Er ist der, der eine Botschaft in Wolken packt, eine heiße Braut hat – und der, „nach mir“ schaut und als Ziel ganz nah ist, wenn er aufreißt.

Sehr viele Bedeutungsebenen verleiht ihm der Lyriker, der sich in dem Band sehr oft gen Himmel richtet, aber ebenso oft den Blick nach unten richtet. Die kleinen Begebenheiten am Firmament und auf der Erde sind es, die er thematisiert.

Formal: mehr explizites lyrisches Ich

Formal sind seine Strophen Mehrzeiler ohne Reimschema; wer sie laut liest, erlebt eine sanfte Rhythmik. Wer die Bücher Hirschls kennt, bemerkt, dass er vom impliziten lyrischem Ich jetzt stärker ins explizite lyrische Ich wechselt. Seine 143 Gedichte sind in 11 Kapitel eingeteilt. Sie sind jeweils Gedichtzeilen entnommen, z. B. „Dein Gesicht ganz rot von den vielen Sonnenküssen“, „Schon stolpere ich über dein Lächeln“, „Zum Stillstand kommt das Räderwerk der Zeit“. Es ist eine kluge Einteilung, die dem Leser Orientierung gibt. Ein Kennzeichen von Hirschls Sprache ist die Verknappung, die Reduktion, die Präzision. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie er um jedes Wort ringt. Deshalb liegen auch meist Jahre zwischen dem Erscheinen der Bücher.

Jahreszeiten, Beziehungen, Humor

Mir persönlich gefallen die Jahreszeiten-Gedichte sehr gut, zeigen sie den Autor doch als sensiblen Naturbeobachter. Aber auch zwischenmenschliche Beziehungen werden subtil angesprochen, z. B. in „Du (I)“, „Heiß (I)“, „Deine Blicke““ oder „Verflogen“.

Wer die Biografie Friedrich Hirschls kennt, weiß, dass er gern Bahnfahrer ist, und wundert sich nicht über die Eisenbahn-Gedichte, die unter dem Kapitel „Doch gelegentlich rauscht ein Zug vorbei“ stehen. Allein dafür hätte er den Lyrik-Preis der Eisenbahn verdient!

Humor blitzt auf, zum Beispiel in „Endlich“

Endlich

hast du ihn geleert

den übervollen Abfallbehälter

 Zufrieden hält er nun

seine große Klappe

 

Krankheit, Tod und Vergänglichkeit

Weitere Themen sind Krankheit, Tod, Vergänglichkeit. Melancholie und Trauer schwingen hier mit; der Autor weiß um den Wert von Zeit – ebenso sein lyrisches Ich.

Am Ende wollen wir noch das titelgebende Gedicht zitieren, bei dem es um eben dieses Thema geht:

Es ist Zeit

 Schwalben schießen

durch die Häuserschluchten

Müll türmt sich auf

Blütenmäuler aufgerissen

Die Zeiger der Zeit

springen mich an

Über den Dächern

eine Federwolke

und ein Rest

von Blau

 

Unter den vielen literarischen Veröffentlichungen im Herbst ist dieser Band eine wertvolle Preziose der Poesie.

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Friedrich Hirschl: Ein Rest von Blau. Gedichte, Hardcover, 192 S., 19,90 Euro (D), 20,40 Euro (A)

ISBN 978-3-941306-53-0

Lesungen zu „Ein Rest von Blau“ jeweils um 19.30 Uhr:

Mittwoch, den 12. Oktober, in der Stadtbücherei Regensburg beim II. Regensburger Leseherbst

Donnerstag, den 13. Oktober, bei Bücher Pustet Passau

Samstag, den 5. November, im Kulturzentrum KUNO in Nürnberg

Freitag, den 25. November, in der Stadtbibliothek Freising jeweils um 19.30 Uhr