Geburtstagsbrief über Begegnungen mit dem Kabarettisten Jonas
Erinnerung eins: Lang, lang ist’s her
In einer Kleinstadt wie Passau in den 70er Jahren läuft man sich als Schüler und Schülerin irgendwann zwangsläufig über den Weg. Auch wenn Du damals ein älterer Schüler warst und ich eine jüngere Schülerin. Aber so war es damals: die Jüngeren (vor allem die Mädels) interessierten sich brennend für die Älteren (vor allem für die Jungs) – aber nicht umgekehrt. Zumal wenn etliche Jahre dazwischen liegen. Da ist man für einen älteren Burschen nur ein kleines dummes Mädel.
Das erste Mal habe ich Dich wahrgenommen als Ministrant in der St.-Nikola-Kirche. Da war ich noch Kommunionmädchen, das eigentlich zum Sprengel St. Paul gehörte, aber der dortige Pfarrer wollte mich nicht bei der Kommunion haben, weil ihm mein Hintergrund nicht christlich genug war. Damals weinte ich gar bitterlich, erfuhr ich den wahren Grund.
Aber: Ich war sehr gern in der lebendigen Gemeinde von St.-Nikola mit den schön gestalteten Gottesdiensten, wo Du als Ministrant die Sache gut machtest. Mit großem Ernst und Eifer warst Du dabei. Du liebtest schon damals den öffentlichen Auftritt.
Bei diesem habe ich Dich auch in der sogenannten Bude in der Altstadt erlebt. Das war ein verruchter Geheimtipp in der Schülerschaft. Von Leopoldinern organisiert (und wohl auch bezahlt) traf man sich in einer Wohnung diskutierte, rauchte, machte Musik und noch manch anderes. Ich habe hauptsächlich die Leo-Schüler gekannt, aber es kamen auch Schüler vom Adalbert Stifter Gymnasium – und eines Tages warst Du da, hast mit Deiner Klampfe „La Bamba“ gespielt (was ich bis damals nur von Neil Diamond kannte) – und die Mädels waren hin und weg, was Du aber gar nicht zu bemerken schienst. Barbara Dorsch war oft da – und ich saß meist strickend schüchtern in der Ecke.
Dann sah ich Dich als Chorknabe und Statist im Fürstbischöflichen Opernhaus, wo ich seit meinem 12. Lebensjahr regelmäßig zu Gast war und bin. Mein Respekt stieg ins Enorme . . .
Erinnerung zwei: Die Himmelskonferenz
Als Schülerin war ich öfters im Peschl-Keller, meist beim Kegeln oder beim Tanzen im großen Saal. Dort fand schließlich die „Himmelskonferenz“ statt. Man wusste nicht genau, wie und was und mit wem. Man hörte der Sigi Zimmerschied ist da und wollte hin. Ich wollte auch wegen der Maria-Darstellerin Regina hin, die früher meine Klassenkameradin war. Da warst Du der Jesus (sprich englisch: dscheses). Und das war alles locker, unterhaltsam und irgendwie revolutionär und neu. Erst später habe ich erfahren, dass das Stück verboten wurde und sogar ein Gerichtsverfahren nach sich zog. Dann habe ich Dich als „Verhonepeapler“ noch mit Rudolf Klaffenböck und Sigi Zimmerschied im Scharftrichterhaus gesehen.
Erinnerung drei: Studienzeit in München
Nach deinem Abitur bist du nach München gegangen und ich zeitversetzt Jahre später nach meinem auch. Du warst natürlich schon ein älteres Semester und bis auch bei diesen in der Cafeteria gesessen, während ich bei den Neulingen war – und mich nicht getraut hab, Dich anzusprechen. Einmal habe ich Dich in einer Vorlesung bei Prof. Wolfgang Frühwald gesehen, was einem Wunder gleicht, denn seine Vorlesungen im Audimax waren so überbevölkert, dass die Feuerwehr heute eine Krise bekäme. Später habe ich erfahren, dass Du Germanistik, Politologie, Philosophie und später Theaterwissenschaften studiert hast. Im Institut für Theaterwissenschaften bin ich Dir aber nie begegnet.
Dein erstes Soloprogramm „Zur Klage der Nation“ habe ich in München erlebt und war richtig stolz auf Dich. Auch in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft habe ich Dich erlebt („Wir werden weniger“, „Auf Nummer sicher“) und Deine Fabulierkunst und Deinen Wortwitz bewundert.
Wunderbar fand ich Dich zusammen mit Dieter Hildebrandt im „Scheibenwischer“. Jetzt warst Du eine Fernsehgröße.
Genial war die Serie von Franz-Xaver Bogner „Irgendwie und sowieso“ – eine Hommage oder ein Abgesang an die Hippie-Zeit mit Ottfried Fischer als musikverrückter Bauernsohn Sir Quickly.
Du spielst darin den Tango-Fredy, einen musizierenden Postboten, der bei einer Mutprobe ums Leben kommt. Ein Hippie-Begräbnis und das Auseinanderdriften der Freunde war der Schlusspunkt. „Let it be“.
Sämtliche Wiederholungen habe ich gesehen – und werde sie auch weiter sehen. Die Filme sind genial, und Ottfried Fischer und Du – ihr habt euch darin ein Denkmal gesetzt.
Erinnerung vier: Berufswege kreuzen sich
Mein Weg führte mich zur Passauer Neuen Presse, wo ich 35 Jahre tätig war. 28 Jahre lang war ich Redakteurin in meinem geliebten Feuilleton und unsere Wege kreuzten sich zwangsläufig viele Male.
Deine Programme und Lesungen habe ich mal privat und mal als Kritikerin besucht, deine Bücher als Bücherwurm oder als Rezensentin gelesen. Kaum etwas habe ich ausgelassen. Auch nicht Drinen „Don Quixote“ am Gärtnerplatztheaetr in München. Da bist Du zu quasi Deinen Wurzeln am Passauer Theater zurückgekehrt.
Deinen Erfindungsreichtum, deine philosophischen Ausführungen und Wendungen habe ich stets bewundert, auch wenn so manche Lesung aus den Fugen geriet.
Eine einmalige Sache über die ich berichtet habe, war die Veranstaltung „Götter, Spötter und Gelehrte“, eine Reihe, veranstaltet vom Scharfrichterhaus und der Universität. Du sprachst über „Glaube und Humor“. Glaube, Bibel, Traditionen und Corona waren auch die Themen unseres letzten großen Interviews an Weihnachten vor zwei Jahren.
Was mir am meisten imponierte: Immer wieder hast Du Neues begonnen. Bücher, Fernsehsendungen, Kabarettprogramme sowieso. 2021 bist Du als einer von drei Gesellschaftern an die Spitze der Lach- und Schießgesellschaft getreten.
Und: Kurz vor dem 70. Geburtstag hast Du einen Zentralrat des deutschen Humors einberufen, um den allgemeinen Zustand des Humors zu untersuchen. Kooperationspartner ist die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). In die nächste Runde geht es von 13.-15. Oktober 2023. Der Termin steht schon in meinem Kalender. Da möchte ich dann auch im Audimax sitzen.