Scharfrichterbeil 2022 geht an Stefan Danziger

Fünf Kandidaten beim Wettbewerb in Passau

 

Zwei Mal wurde der Kampf ums Scharfrichterbeil 2022, der traditionell im Dezember stattfindet, wegen Krankheit der Teilnehmer oder einem Teil der Juroren verschoben: Gestern hat der Wettbewerb nun endlich im Scharfrichterhaus Passau stattgefunden.

Er war einfach der Beste

Stefan Danziger (Jahrgang 1983), gebürtiger Dresdner, der jetzt in Berlin lebt, gewann das Scharfrichterbeil 2022 – verdientermaßen. Er war an diesem Abend einfach der Beste. Er ist ein Geschichtenerzähler im besten Sinn. Dabei vermischt er private Themen geschickt mit großer Politik und schlägt, wie es die Jury in ihrer Bewertung sagte, immer wieder überraschend Haken, die seinen Geschichten eine neue Wendung geben. Da fängt er mit einem harmlosen Heiratsantrag der Frau an Mann an, landet bei der Klimakrise, „die interessiert und in Deutschland nicht, wir haben Übergangsjacken.“ Wirklich witzig, wie er über die Prepper-Szene lästert, die sich auf den Katastrophenfall vorbereitet; auch seine „kleine Geschichte des Kolonialismus“ ist höchst amüsant. Dazwischen streut er locker kleine private Geschichten ein. Beste Unterhaltung! Seine kleine Geschichte über die Begegnungen mit Udo Lindenberg in Berlin waren eine gelungene Zugabe, nachdem Moderator Ludwig Müller, der 2000 Beilgewinner war, ihm die Trophäe überreicht hatte.

Musikkabarett am zweiten Platz

Das Musikkabarett Frau Rotkohl. © Edith Rabenstein

Der zweite Platz, das mittelgroße Beil, ging an das Musikkabarett Frau Rotkohl; der Name verweist auf die Köchin aus den Geschichten des „Sams“. Das Trio hat sich 2014 gegründet und besteht aus Jon Lorenzen (Jahrgang 1987), Natze Siering (Jahrgang 1987) und Jonas Zimmermann (Jahrgang 1990). Die Musikkabarettisten und Poetry Slamer waren nur teilweise überzeugend. Mit dem Song „Wir sind aus dem Mittelstand“ haben sie sich gleich ins Herz des Publikums und der Jury gesungen. Sehr witzig auch die Limericks und das Thema Klimawandel, an dem die Katzen schuld sind. Da gibt’s Vorschläge zur Abhilfe mit der Katzenklappenguillotine. Das ist teils witzig, teils skurril. Sehr selbstironisch war der Song „Nicht so scheiße wie Jon…“ über eine verpatzte Musikprobe. Dafür wurde das Trio von der Jury gelobt. Wer findet heute Fäkalsprache in der Wiederholungsschleife wirklich noch sooooo lustig? Großes Manko bei den Dreien war die schlechte Artikulation. Die Texte waren schwer zu verstehen,  die Pointen der Limericks gingen zum Teil wegen des Genuschels unter. Die Frage stellt sich, ob das Trio einen ganzen Abend bestreiten kann.

Das kleine Beil für verhüllten Künstler „Der Tod“

Der Künstler, der seine Identität nicht bekannt gibt und als „Der Tod“ auftritt. © Edith Rabenstein

Dieselbe Frage stellte sich an den Kandidaten, der sich „Der Tod“ nennt und dessen Identität unbekannt ist. Er erhielt das kleine Beil. Zu Recht. Denn es war schon eine Leistung, eine Figur ohne Gesicht, Augenkontakt und Mimik so präsent und spannend darzustellen. Der verhüllt agierende Künstler spielte geschickt mit sämtlichen Klischees, die sich um seine Figur ranken. Die Körpersprache, Expressivität der Hände und sein „Diephone“ gaben der Figur eine Statur; dazu kam die beeindruckende Modulation mit einer Fistelstimme, die sowohl Galgenhumor wie die Partei Letztwähler verkaufen konnte. „Kundenbindung ist meine Schwäche“. Zu hören war auch: Der Tod ist kein Wiener, sondern ein Berliner. Aber: Will man das tödliche Programm wirklich einen Abend lang hören, auch wenn es darstellerisch brillant umgesetzt ist?

Vierter Platz für Hinnerk Köhn

Vierter Platz für Hinnerk Köhn. © Edith Rabenstein

Auf dem vierten Platz kam Hinnerk Köhn (Jahrgang 1993) aus Eckernförde. Der junge Mann, Poetry Slamer und Stand up Comedian, der 2013 sogar deutschsprachiger Vizemeister im U20 Poetry Slam war. In seiner Performance ging es um seine Selbständigkeit in Zeiten von Corona, das perverse Konstrukt der Junggesellenabschiede, bei dem er sich mit zwei Witwen am Singletisch einfand, oder um die Situation in Passau nach 20 Uhr: „Hallo, ist da jemand?“. Es waren nette Einzelgeschichten, aber insgesamt unstrukturiert, der Song am Schluss war irgendwie willkürlich; Stimmverzerrer sind heutzutage nicht mehr der Hit.

Fünfter Platz für Christl Sittenauer

Fünfter Platz für Christl Sittenauer. © Edith Rabenstein

Die letzte bei der Präsentation und auch bei der Jury-Bewertung war die Oberpfälzerin Christl Sittenauer (Jahrgang 1982), die mit dem Musiker Lukas Maier kam. Von der Jury gelobt wurde ihre Bühnenpräsenz – und die hat sie wirklich! Und eine prägnante Stimme in Wort und Gesang. Man kann sagen: Sie rockt die Bühne. Aber sie hatte sich als Thema „Frauen sind keine Menschen“ gewählt. Das ist nun leider doch sehr verbraucht. Freilich konnte sie die Angst an einem nächtlichen Parkplatz glänzend glaubhaft machen. Insgesamt war der Beitrag einfach „old fashioned“ aufgebaut und wenig überraschend.

Kabarettist Ludwig Müller führte charmant durch das Programm. Dass er allerdings nicht die Jury-Mitglieder bekannt gab und auch am Ende das Publikumsvotum nicht erwähnte, ist doch sehr nachlässig. Da hätte man ihm vom Scharfrichter-Kulturbüro einfach mehr zuarbeiten müssen. Auffällig war auch, dass die Veranstaltung nicht ausverkauft war. Vielleicht war es die Schuld der sommerlichen Hitze, vielleicht aber auch mangelnde Organisation. Quo vadis Scharfrichterbeil?