Der perfekte Tag mit einem Bürgerfest
Schöner kann man sich ein Geburtstagsfest nicht denken: Die Europäischen Wochen werden 70 Jahre alt, und der Tag gerät zu einem heiteren und ausgelassenen Fest für alle.
Eröffnung bei Kaiserwetter
Der blaue Himmel strahlt über der Kulisse der Ortspitze. Am Innkai pilgern die Ströme sommerlich-festlich gekleideter Menschen Richtung Dreiflußeck, nicht ohne einen Blick auf die Ausstellung „Ukraine Moments“ zu werfen. Polina Polikarpova und Mikhail Palinchak zeigen dort großformatige Fotografien mit Motiven aus Kiew und Charkiw aus der Zeit vor dem Angriffskrieg von Russland. An der Ortspitze findet, wie schon im vergangenen Jahr, die Eröffnung der Jubiläumsfestspiele statt. Freilich: Einige Stühle bleiben leer. Ein Teil der geladenen Gäste bleibt wohl der Temperaturen wegen dem Eröffnungsakt fern. Am Vormittag hat es schon an die 30 Grad.
Diejenigen, die da sind schützen sich mit Schirmen gegen die Sonne oder haben einen Hut dabei. Das EW-Team hat alles perfekt organisiert: EW-Schirme und Wasser helfen gegen die Hitze.
Festspiele aus der Mitte der Bevölkerung
Die Vorstandsvorsitzende des Festspielvereins, Rosemarie Weber, begrüßte die Gäste und erklärte: Blau und Gelb seien nicht nur die Farben der EW, sondern auch die der Nationalflagge der Ukraine. Sie seien auch ein Symbol des Zusammenhalts geworden und der gemeinsamen Werte, Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung geworden. Dann gab sie einen kurzen historischen Rückblick auf die Festspiel-Geschichte, die 1952 begann. „Es waren Männer des Krieges, die auf die Idee kamen, die Europäischen Wochen als Fest des Friedens zu gründen.“ Zunächst liefen die Festspiele unter der Regie der Stadt und ab 1959 war der Festspielverein Träger. „Der Grundstein der Festspiele wurde aus der Mitte der Bevölkerung gelegt“, so die Chefin des Vereins. Rosemarie Weber entwarf die Vision, dass es einmal ein Festspiel-Schiff geben werde, dass von Passau bis zur Donaumündung fahre und künstlerisch von Frieden und Freiheit künden sollte.
„Wir stehen an einer Zeitenwende“
Oberbürgermeister Jürgen Dupper sprach in seinem Grußwort sprach über den Wertekanon von Aufklärung, Bürgerrechte, Toleranz und Gleichheit, der in der Nachkriegszeit entwickelt wurde. „Die Zukunft nach der Wiedervereinigung 1989 schien ein ewiges Versprechen zu sein.“ Die 30 friedlichen Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gingen zu Ende. „Wir stehen an einer Zeitenwende.“ Europa brauche mehr denn je ein Rad der Kultur. „Die EW sind eine Speiche dieses Rades.“
Der amerikanische Generalkonsul Tom Liston, dessen Frau in Passau studierte rief dazu auf, aus Fehlern zu lernen. Er verglich die Beziehung zwischen Europa und den USA mit einer Ehe: „Es gibt Höhepunkte und manchmal geht es bergab, aber wir können immer über unsere Differenzen reden. Die gemeinsamen Werte sind das, was die Beziehung zusammenhält.“ Die Europäischen Wochen charakterisierte er als „einen öffentlichen Ort, wo Menschen über ideologische Grenzen hinweg zusammenkommen“.
Der Passauer Landrat Raimund Kneidinger freute sich, dass die EW mit drei Veranstaltungen in seinem Landkreis vertreten sind und bezeichnete das Festival als „große Bereicherung für den Kulturlandkreis Passau.“
Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde ein Video-Grußwort eingespielt. Die Politikerin sagte, den Ukrainern zu helfen, sei eine moralische Verantwortung und nicht nur ein strategisches Interesse. Sie berief sich auf Konrad Adenauer: „Der Traum von Europa ist eine Notwendigkeit.“ Ein Lob gab es für die Europäischen Wochen: „Die Passauer Festspiele haben den Weg der Völker Europas aktiv mitgestaltet.“
„Passau war der perfekte Ort“
Die Festrede zum 70-jährigen Bestehen der Festspiele hielt der US-Diplomat John Kornblum, der per Video aus den USA zugeschaltet war. „Diese illustrere Reihe wurde von dem damaligen amerikanischen Kulturoffizier als Beispiel der Hoffnung und der Völkerverständigung initiiert. Als Brücke zwischen drei Ländern, war Passau der perfekte Ort für diese wichtige Aufgabe. Nach sieben Jahrzehnten können wir mit dem Ergebnis dieser Entscheidung mehr als zufrieden sein. Wir dürfen auf sieben Jahrzehnte Einigung und trans-atlantische Zusammenarbeit zurückschauen. Europa ist nicht mehr geteilt. Passau ist nicht mehr Grenzland“, so der langjährige amerikanische Botschafter in Deutschland.“ Weiter sagte er: Europa erlebe mehr Wohlstand als je zuvor in seiner Geschichte. Mit Blick auf den „Krieg gegen die Demokratie“ in der Ukraine sagte er: „Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir die Freiheit nicht mehr verteidigen müssen.“ Der Krieg in der Ukraine habe uns dramatisch wachgerüttelt. „Die Illusion, dass wir alles durch Dialog und Zusammenarbeit sichern könnten ist für immer verschwunden. Frieden ohne Freiheit kann kein Endziel werden. Ohne wertbezogen zu sein, ist die sogenannte Friedenspolitik eine leere Hülse“.
„Festival mit politischer Ausrichtung“
EW-Intendant Dr. Carsten Gerhard betonte, dass die Europäischen Wochen als Festival mit politischer Ausrichtung gegründet worden waren und dies auch weiter sein werden. Mit der Ausstellung „Ukraine Moments“ wollte er ein Zeichen setzen und „den Menschen dort ihre Würde zurückgeben.“ Bewusst seien Bilder aus der Zeit vor dem Krieg ausgewählt worden. Er bat die ukrainische Fotografin Polina Polikarpova aufs Podium. Sie sagte, sie hätte nie gedacht, dass ihre Bilder einmal als Zeugnisse einer vergangenen friedlichen Zeit beschrieben werden könnten. Zugleich bat sie um Spenden für ihr Land. Ihre Bilder in der Open-Air-Ausstellung am Passauer Innkai sollten der Ukraine Würde zurückgeben, so Gerhard.
Christian Bernreiter, Staatsminister für Wohnen, Bauen und Verkehr erklärte die 70. Festspiele für eröffnet. Er bezeichnete die Festspiele als „Ereignis mit großer Strahlkraft“ und bekräftigte die finanzielle Unterstützung durch das Land Bayern. In Passau denke man „schon immer mit offenem Herzen über Grenzen hinaus“. Auch der frühere Kunstminister und jetzige Deggendorfer Landrat Bernd Sibler war als langjähriger Freund und Unterstützer der EW gern gesehener Gast. Wegen seines Urlaubs hatte sich der zurzeit amtierende Markus Blume entschuldigt.
1952 wurden die Festspiele gegründet. Darauf wurde auch musikalisch eingestimmt: Für das Feeling dieser Zeit sorgte die US-Army-Band Rhine River Ramplers sowie Tanzeinlagen des Ensembles um Tänzerin und Choreografin Ursula Geef.
Staatsempfang und Bürgerfest
Nach einem Empfang der Staatsregierung für die Ehrengäste, bei dem u. a. Fleischpflanzerl, gezupftes Schweinefleisch und Lachs sowie Schoko- und Obstkuchen gereicht wurden, schloss sich ein Bürgerfest für alle an. „Everybody let’s rock“ war das Motto. Für die Musik aus der Zeit spielten die 6 Fireballs und die Rhine River Ramblers. Der Tanzsportverein Albatros zeigte eine schwungvolle Boogie-Woogie-Show. Die Reihen füllten sich allmählich und es wurde ein ausgelassenes Fest, bei dem auch Gäste das Tanzbein schwangen. Als Überraschung hatte der EW-Intendant Popcorn und Zuckerwatte gratis versprochen, was nicht nur die kleinen Gäste freute. Ein Foodtruck offerierte Streetfood wie in Amerika.
Ein Besonderes Special: Am „TimeCube“ konnte man Nachrichten vom 18. Juni 1952 aus aller Welt lesen von New York Times über Le Figaro bis zur Passauer Neue Presse. Die PNP hatte an diesem Tag sogar die Europäischen Wochen erwähnt!
Der erste Tag dieses Festivals endete perfekt – mit dem King of Rock’n’Roll: „Love me tender“ hieß die Show mit Originalmusikern von Elvis Presley und Dennis Jale.
Lesen Sie die Kritik dazu morgen.