Totenvögel als Unheilsboten

Verdis „La Forza del destino“ am Landestheater Niederbayern

 

Musikalisch gesehen ist es eine der Sternstunden in dieser Saison gewesen: Endlich wieder große Choroper mit vielen Statisten und dann auch noch open air bei den Burgenfestspielen: Das Landestheater Niederbayern hat am Samstagabend „La Forza del destino“ von Giuseppe Verdi auf der Veste Oberhaus in Passau gespielt.

Schwarze Vögel, die als Symbol für den Tod gelten, marschieren schon vor Beginn durch das Publikum. Quasi als Vorboten für das unheilvolle und tödliche Geschehen, das da kommt. Eine Idee, die neugierig macht. Die Raben-Vögel begleiten die gesamte Inszenierung . . .

Der Star des Abends ist Yitian Luan

Das Werk aus der mittleren Schaffensperiode des Italieners beginnt mit einer markanten Ouvertüre, das Leitmotiv, das das Schicksal der Getriebenen darstellt. Schon hier zeigen sich Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman und die Niederbayerische Philharmonie sehr fokussiert, was Dynamik und Tempo betrifft.

Der Star des Abends ist Yitian Luan als Donna Leonora. Die Bandbreite dieser Sopranistin mit einer super geführten Stimme  ist enorm: von schwebend leichten Tönen bis zur fesselnden leidenschaftlichen Dramatik. Besonders eindringlich ist ihr zartes „Pace, pace, mio Dio!“ am Ende. Yitian Luan ist eine Sängerin, die alle Partien in ihrer Tiefe auslotet. Zudem harmoniert ihre Stimme ganz wunderbar mit der Harfe, was für diese Oper ein Glücksfall ist.

Don Carlo: kraftvoll, raubeinig und glutvoll

Julian Younjim Kim singt und spielt den Bruder  Leonores, Don Carlo. Er stellt die Tragik dieser Figur schauspielerisch sehr eindringlich dar: einerseits den Hass auf den vermeintlichen Vatermörder, andrerseits die freundschaftliche Liebe zu dem Mann, der ihm das Leben gerettet hat. Der Bariton wirkt kraftvoll, raubeinig und glutvoll. Hervorragend gelingt das Duett mit seinem Tenorkollegen Konstantin Klironomos. Der Grieche besticht durch sein Spiel und die Klangschönheit seiner Stimme in dieser nicht einfachen Partie des Alvaro. Allerdings war die Intonation mehrmals nicht sauber.

Peter Tilch ist als Padre mehr witzig als grimmig

Liest die Leviten: Peter Tilch als Padre. © Landestheater Niederbayern/Peter Litvai

Eine gute Präsenz in dieser Inszenierung hat Bariton Peter Tilch: Aus Schillers „Wallensteins Lager“ lieh sich Verdi die Szene, in der ein Mönch den Soldaten eine Bußpredigt hält und dafür Prügel einsteckt. Tilchs Padre ist mehr witzig als grimmig.  Natürlich ein Lacher: Dass der gestrenge Padre in seinen heiligen Schriften Pornos versteckt hat. Der Zeitgeist will es so.

Preziosilla  tritt wie eine „Kriegsgöttin“ auf mit Patronen um den Hals und einer Waffe in der Hand. Sie wird auf einer Kanone im Rosa-Military-Look, die offensichtlich nicht schießen kann,  von den Unheilsvögeln hereingefahren. Sängerisch und darstellerisch  ist Reinhild Buchmayer top und stößt auch souverän in die Sopranlage vor.

Es hat sich schon bei den Bühnen eingebürgert, dass der Marquese und Pater Guardiano von einem Sänger dargestellt werden. Heeyun Choi gestaltete beide Partien markant.

In Nebenrollen überzeugten Curra (Sabine Noack) als Kammerzofe im Business-Kostüm sowie Alkalde und Feldarzt  (Mirolsav Stričević) und Trabuco (Daniel Preis).

Die ausuferde Oper gut gestrafft

Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman hat die ausufernde Oper gestrafft. Die Verjüngungskur tut ihr gut. Stark und differenziert sind die einzelnen Instrumentengruppe.  Dass Coleman auch ein Fernorchester im großen Hof der Veste benutzt (Bläsergruppe) ist effektvoll. Der Theaterchor wird immer besser (Einstudierung: Eleni Papakyeiakou). Man hat ihn in der Corona-Zeit ja arg vermisst. In dieser Choroper kann er sich endlich wieder aufs Beste präsentieren. Höhepunkt ist da natürlich „Rataplan“.

Unentschlossene Regie

Regisseurin Margit Gilch wirkt unentschlossen. Sie hat z. T. gute und oder auch witzige Ideen, verwendet viele theatrale Stilmittel, die sich aber nicht zu einem überzeugenden Ganzen fügen. Die Handlung ist in einem abstrakten Raum verlegt. Das Bühnenbild besteht aus einem Tableau von sieben Drehtüren, die schnelle Auftritte und Abgänge möglich machen, und gleichzeitig als Projektionsfläche für Stimmungen und Motivik dienen (Bühne: Günter Eisenmann). Die Regisseurin schwankt aber zwischen Persiflage und Ernsthaftigkeit. Die Liebe von Leonora und dem nicht standesgemäßen Alvaro nimmt sie sehr ernst, ebenso das Familiendrama. Das Kriegsgeschehen verlegt sie in dagegen in eine absurde Welt. Der Mischmasch von Military-Kostümen erinnert an die Reichsbürgerszene, ob sie das weiß? Die zwei großen Tableaus inszeniert sie, wie in einer Verismo-Oper des 19. Jahrhunderts. Auch „eingefrorene Szenen“ sind eingesetzt, aber dem Zuschauer vermittelt sich nicht, warum.

Schön gestaltet ist z. B. die Szene mit dem übergroßen Kreuz, das mit seinen Farbfeldern an die Kunstwerke Piet Mondrians erinnert. Aber auch hier fragt man sich: Warum?

Die Regisseurin entlässt den Haupthelden in einen effektvollen offenen Schluss mit filmischen Mitteln. Alvaro geht ab, mit der Waffe in der Hand. Wird er sich töten – wie in der St. Petersburger Fassung oder wird er mit seiner Schuld weiterleben? Die Raben jedenfalls  fliegen  mit ihm. . .

Weitere Aufführungen: 16. und 17. Juli, 20 Uhr auf der Veste Oberhaus in Passau, am 28. Juni in Straubing und am 2., 3., 9. Und 10. Juli in Landshut.

Karten unter Tel.:

für Passau: 0851 / 929 19 13 oder theaterkasse@passau.de

für Straubing: Tel. 09421 / 944 69 199 oder kulturamt@straubing.de

für Landshut: Tel. Tel. 0871/922 08 33 oder theaterkasse@landshut.de