Von Arnulf Rainer bis Herbert Achternbusch

Arnulf Rainer. o. T. (Fingermalerei), 1983, Öl auf Karton. Stiftung Wörlen, Passau © Edith Rabenstein

„Schätze entdecken“ im Museum Moderner Kunst Passau

 

Das Museum Moderner Kunst Passau – Sammlung Wörlen zeigt nicht nur die Kunst der Moderne und internationale zeitgenössische Kunst in Wechselausstellungen, sondern präsentiert auch regelmäßig Werke aus der Sammlung. Diese ist – zuerst durch die Sammlungstätigkeit von Museumsgründer Hanns Egon Wörlen (1915-2014), dann durch geschickte „Verhandlungspolitik“ der Museumsleiter, aktuell durch Direktorin Dr. Marion Bornscheuer, kräftig – angewachsen. Dadurch sind auch immer wieder spannende Ausstellungen unter verschiedenen Aspekten möglich.

Bianca Buhr ist Kuratorin der Ausstellung

Die aktuelle heißt „Schätze entdecken“, die Kuratorin Bianca Buhr kuratiert hat. Die Kunsthistorikerin ist Leiterin des Depots und hat einen guten Überblick über alle Kostbarkeiten dort.

Sie hat die Schau in Abschnitte geteilt, die die Grundpfeiler der Sammlung sind: Das sind die Werke von Maler Georg Philipp Wörlen (1886-1954) und der Künstlergruppe Der Fels, dann Arbeiten der Donau-Wald-Gruppe, die der Maler mitbegründet und sein Sohn viele Jahre gemanagt hat, und Werke, die durch Tausch, Ankauf und Spenden in die Sammlung kamen.

Ich beginne die Ausstellung von hinten bei „St.Kilda“

Wer die Sammlung nicht kennt, dem sei empfohlen, sie der oben genannten Führungslinie zu besuchen. Ich aber – immer neugierig – mache etwas „Ketzerisches“ und beginne von hinten.

Kirsten Krüger, „St.Kilda“, Papiermaché, Silikon, Kunststoff, 2010. Stiftung Wölren, Passau © Edith Rabenstein

Und: Da steht gleich das jüngste Objekt der Sammlung vor mir: „St. Kilda“ von Kirsten Krüger, 2010. Die Installation ist aus Papiermaché, Silikon, Kunststoff. Der Betrachter sieht Wellen, Land, Schuhe – und eine Fahne. Man kann Natur versus Zivilisation sehen, aber man assoziiert auch die Flüchtlingsthematik, wenn man die verlorenen Schuhe quasi am Strand sieht. Gerade die Mehrdeutigkeit macht das Werk anrührend.

Zeitgenossen: Uecker, Attersee, Schleinkofer, Mrkvicka

In dieser Abteilung sind bekannte zeitgenössische Künstler versammelt. Hier hängt u. a. eine typische Arbeit von Günther Uecker, der den Nagel als künstlerisches Medium eingeführt hat (Prägedruck mit Nägeln auf japanischem Büttenpapier, 2010). Österreichische Kunst ist in der Sammlung Wörlen bestens vertreten, z. B. mit einer Arbeit von Ludwig Attersee („Der Tauträger“, Öl auf Papier 1995) und einem Werk seines Landsmanns Alois Riedl aus Schärding. Alfred Hrdlicka ist mit einer Lithografie vertreten. Auf dem großformatigen narrativen Bild von Franz Stanislaus Mrkvicka „Watteau spielt mit – für Bonnard und Handke“ findet sich ein Satz, der wohl auf jedes der Werke hier in der Ausstellung zutrifft: „Jeder Satz/ ob Farbe – Strich/ ist eine Geschichte“.

Nebeneinander hängen zwei Künstler, die miteinander im MMK ausgestellt haben und Seelenverwandte sind: Arnulf Rainer (o. T., Fingermalerei, Öl auf Karton, 1983) und Karl Schleinkofer („Verstehen ohne Einverständnis“, Ölkreide auf Karton, 1988). Die beiden Werke sind ein Glanzlicht der Sammlung.

Thema Figur mit Schultze, Reitter, Mel Ramos und Klaffenböck

Bernard Schultze, „Mannequin Migof“, 1965, 1967, 1971, Sammlung StiftungWörlen Passau © Edith Rabenstein

Einen Raum gestaltet die Kuratorin mit dem Thema „Figur“. Dabei bezieht sie nicht nur Dreidimensionales ein, sondern auch Malerei und zeichnerische Arbeiten sowie Fotografie. Da findet sich z. B. ein Lichtdruck mit bekanntem Motiv von Mel Ramos, beeindruckende Fotografien von Rudolf Klaffenböck, die Yoko Ono und Hermann Nitsch in Passau zeigen, und Plastiken u. a. von Annerose Riedl und Erwin Reitter. Von Reitter wird die Bronze des St.-Anna-Preises gezeigt, die Hanns Egon Wörlen 1998 für seine Verdienste um die Bildende Kunst erhalten hat. Von Herbert Achternbusch, der unlängst verstarb, ist ein Aquarell mit Figurendarstellung zu sehen. Am Ende dieses Kapitels stehen die raumgreifenden drei „Mannequin Migof“ (Schaufensterpuppen und mixed material) von Bernard Schultze aus den Jahren 1965, 1967 und 1971.

Donau-Wald-Gruppe mit Sammer und Theuerjahr

Ein großer Raum ist der Donau-Wald-Gruppe gewidmet. Aus dem großen Sammlungsbestand dieser Gruppe wurde gut ausgewählt: Von Heinz Theuerjahr sind sowohl Plastiken als auch zeichnerische Werke vertreten, besonders schön in ihrer starken Reduktion sind der Pfau (Holzschnitt 1976) und der Wiedehopf (Bronze 1967).

Walter Mauder, Ohne Titel, Öl auf Hartfaser, 1951. Sammlung Stiftung Wörlen, Passau © Edith Rabenstein

Weiter sind u. a. zu sehen Otto Sammer („Fragment Stadt Passau“, Mischtechnik, 1980), Vinzenz Dressler („Jedermann“, Kunstharz auf Hartfaser, 1986), Walter Mauder (Entwurf für Wandmalerei, Gouache, 1958), Karl Anton Hudetz („Nächtliche Gasse“, Lithografie, 1928), Wolf Hirtreiter („Haus mit drei Bäumen“, Emaille, Kupfer, Holzplatte, 1985), Hermann Erbe-Vogel („Die alte Lampe“, Öl auf Leinwand, 1948) und die einzige Frau der Gruppe, Friederike Pröbius (Ohne Titel, Holzschnitt 1949).

Der Fels mit Bronstert und Hauser

Von der Gruppe Der Fels sind u. a. ausgestellt: Franz Bronstert („Passauer Veste Oberhaus“, Öl auf Malpappe, um 1921/22), Fritz Fuhrken („Alfred Kubins Haus in Zwickledt“, Lithografie, 1928) und Carry Hauser („Porträt von Charley Sitka“, Öl auf Malpappe, 1921).

Schau Georg Philipp Wörlen

Georg Philipp, Wörlen, „Winter“ Wachskasein auf Malpappe, 1950. Sammlung Stiftung Wörlen, Passau © Edith Rabenstein

Ein Raum ist Georg Philipp Wörlen gewidmet, für dessen Nachlasswerke der Sohn Hanns Egon das Museum ins Leben gerufen hat. Das herzige Kinderbild des kleinen Buben ist hier ebenso ausgestellt, wie u. a. markanten „Passauer Häuser“ (Öl auf Leinwand, 1920) oder das eher unbekannte Bild „Winter“ (Wachskasein auf Malpappe, 1950).

Da die große und hervorragend kuratierte Schau mit dem Werk Georg Philipp Wörlens zum 30. Jubiläum des Museums 2020 wegen Corona nur wenige Tage geöffnet war, sei dieser Raum allen besonders empfohlen, die damals nicht die Gelegenheit hatten, die Ausstellung zu besuchen.

Museum arbeitet an Katalog der Sammlung

Einen großen Sammlungsbestand in Ausschnitten zu zeigen, das erfordert eine gute Kenntnis des Depots, viel Gespür und ein tragendes Konzept. Das alles hat Bianca Buhr hervorragend eingebracht und umgesetzt.

Gerade diese Schau stiftet Identität zwischen Besucher und Museum, wie Direktorin Dr. Marion Bornscheuer sagte. Und sie verriet auch: Das Museum arbeitet an einem langfristigen Projekt: einem Museumskatalog der Sammlung.

Darauf darf man sich jetzt schon freuen!

Die Ausstellung wird zunächst unbegrenzt laufen; geöffnet ist täglich außer Mo. von 10 bis 18 Uhr.

www.mmk-passau.de