Berauschende Ästhetik in Verona

Die Titelpartie Aida singt Monica Conesa, umgeben von Tänzern und Statisten. © EnneviFoto

Neue „Aida“  in der Inszenierung von Stefano Poda

 

Mehr als ein Jahrzehnt galt die „Aida“ in der Inszenierung von Altmeister Franco Zeffirelli (1923-2019) aus dem Jahr 2010 als das Nonplusultra in der Arena di Verona mit der riesigen ägyptischen Pyramide und der Sphinx im Zentrum. Bis ins kleinste Detail war die Ausstattung ägyptisch und mit viel Pomp gestaltet. „Aida“ hatte Giuseppe Verdi für die Eröffnung des Suez-Kanals 1871 komponiert.

Der italienische Ästhet inszeniert

Nun, zum 100. Geburtstag des Festivals Arena di Verona, wurde das Zugpferd in der Arena von einer Neuinszenierung abgelöst. Man durfte also sehr  gespannt sein. Als Regisseur wurde Stefano Poda engagiert, der als Ästhet gilt. Vordergründiges und Politisches findet sich bei ihm nicht. Theater ist für ihn eine Traumwerkstatt. Der Italiener, Jahrgang 1973, ist in seinen Regiearbeiten stets für die gesamte Ausstattung vorhanden. Neben Regie liegen auch Bühnenbild, Kostüme, Licht und Choreografie in seinen Händen. Am Münchner Gärtnersplatz beeindruckte er 2019 mit „Tosca“.

Bewegliche Hand als Gitterskulptur

Eine bewegliche Hand als Gitterskulptur war das Hauptelement des Bühnenbildes. ©EnneviFoto

Die Bühne beherrscht eine riesige bewegliche Hand als Gitterskulptur, die sich öffnet und schließt, die durch Lichteffekte sich wandelbar darstellt. Die Waffen werden symbolisiert als Stäbe mit Händen in Schwarz und Weiß. Rechts liegt eine Säule, die an die Antike erinnert, links Metallschrott, die das Heute assoziiert. Ägypten wird nur sehr wenig und fein zitiert. Immer wieder taucht die Pyramidenform in der Lichtregie auf – und der Tod ereilt die Liebenden in einer Glaspyramide, wie sie vor dem Louvre steht.

Licht trifft auf Massen

Licht ist das wichtigste Element, das die Bühne in immer neue bewegte Bilder verwandelt. Und das Licht trifft auf Massen. Der Chor sind rund 200 Personen und noch mal so viele sind als Tänzer und Statisten eingesetzt, in dunklen oder silbernen Kostümen. Die Hauptdarsteller sind in prächtige Kostüme gehüllt. Statisten stellen im strengen Schwarzweiß ein Geschwader der wichtigsten ägyptischen Tiergottheiten dar.

Gute Solisten

Zwischen all dem kann auf dem ersten Blick nicht gleich die Solisten ausmachen. Für die „Aida“ gibt es eine sechsfache Besetzung. An diesem Abend singen nicht Anna Netrebko und ihr Mann wie zur Eröffnung. Doch sind die Hauptpartien sind exzellent besetzt: Die junge Monica Conesa gestaltet die Titelrolle mit warmen Timbre, explosiven Ausbrüchen und zarten Piani. Ihr geliebter Radames wird von Tenor Yonghoon Lee gesungen, den man in Wien schon gehört hat und der in der kommenden Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper singen wird. Er beeindruckt gleich zu Beginn mit einem schwebenden „Celeste Aida“ und hält seine Form bis zum Ende. Höchst beeindruckend ist Olesya Petrova als Amneris. Die Altistin besticht durch ihr Spiel ebenso wie durch die dunkle, satte und sehr gut geführte Stimme. Überzeugend auch Rafał Siwek als Ramfis und Simone Piazzola als Amonasro.

Marco Armiliato steht am Pult

Dirigent Marco Armiliato ist erfahren in der Arena und mit sehr großen Orchestern. Er hält die Musiker gut zusammen; immer wieder ist es ein Wunder, wie in dieser großen Arena die Töne exzellent rüberkommen, sich sogar die Harfe behaupten kann – und das alles ohne Verstärker. Die berühmten Aida-Trompeten werden von hoch oben im Arena-Rund geschmettert. Dort werden auch Statisten mit Lichtstäben positioniert, was schöne Effekte ergibt. Die Bewegungschoreografie kann man als einmalig sehen. So stellen z. B. die Tänzer mit Lichtschwertern eine Blume nach, deren Samen im Wind schwingen. Ja, Stefano Poda versetzt die Zuschauer in Traumwelten.

Nach dem Regen werden die Künstler gefeiert

Ein kurzer Regenguss bleibt an diesem Abend den Musiker nicht erspart, die eilends ihre Instrumente wegtragen.

Die Besucher haben – zumindest wenn sie im Parkett oder parkettnahe saßen ­–, Sturm und Regen in den „Katakomben“ der Arena gut mit einem Glas Sekt überstanden, bevor es zurück zum Platz geht, Es ist durchaus interessant zu sehen, wie professionell das gesamte Team die etwas abschüssige Bühne rasch säubert und trocknet, ein Inspizient Rutschtests macht und dann offensichtlich sein Okay gibt. The Show must go on – die Italiener in der Arena sind Profis.

Und: Von den über 25 Mal, in denen ich in der Arena war, habe ich heuer erst das zweite Mal eine Unterbrechung wegen Regens erlebt.

Zwei Drittel der Zuschauer sind geblieben – und feiern die Künstler um so stärker, die jetzt wieder einziehen. Und sie erleben erneut einen Farbenrausch in Silber, Blau, Rot und Gelb, der sich durch Lichteffekte auf die Bühne ergießt.

Weitere Vorstellungen:

  1. Juli, 2. August, 18. August

Karten: https://shop.arena.it/ticketshop