Aktuelle Ausstellung zeigt drei Künstler
Einen philosophischen Titel hat der Kunstverein Passau für seine aktuelle Ausstellung in der St.-Anna-Kapelle gewählt: „Bestand im Fluss – constant flux “. Aber: Er würde wohl auf jede Ausstellung zutreffen, denn künstlerische Arbeit ist meist im Fluss, und er sagt überhaupt nichts darüber aus, was hier zu sehen ist. So sagte eine Besucherin vor Ort: „Hätte ich den Titel vorher gelesen, wäre ich sicher nicht rein gegangen.“ Das wäre aber sehr schade gewesen!
Ansprechende Hängung
Denn die Schau, die Werke von Andreas Kempe, Elisabeth Mehrl und Patricia Westerholz zeigt, bietet drei sehr unterschiedliche Künstler, die Kuratorin Christina Bielitza ansprechend präsentiert. Auf einen Nenner bringen kann man sie durch die Schlagworte Poesie und Ästhetik.
Patricia Westerholz
Absolut kunstvoll sind Arbeiten von Patricia Westerholz. Die gebürtige Landshuterin, die lange Zeit in Deggendorf lebte und in Dresden studierte, arbeitet mit einem Werkstoff, den man aus der asiatischen Kunst kennt: Papier, das sie cuttet und schichtet. Der Reiz ihrer Werke liegt also auch im Spiel von Hell und Dunkel, Licht und Schatten. Besonders eindrucksvoll ist die „Cathédrale 67000“ aus 16 Din-A4-Blöcken und Kohlepapier. Die Arbeit von 2016 hängt in der Apsis der Kapelle und verbindet so auf wunderbare Weise zwei sakrale Architekturstile.
Andreas Kempe
Ihren Mann späteren Mann Andreas Kempe lernte Patricia Westerholz in Dresden kenn. Der gebürtige Hamburger hat wie sie an der Akademie studiert. Er ist ein vielseitiger Künstler und sticht durch eine Serie von großartigen und großformatigen Radierungen ins Auge (Lichtverlauf Tür I-VI, 2020/21); auch die Lichtmoose aus der Reihe „Es war nicht auf alles auf einmal zu sehen“ (2022) in der Technik Pigmentdruck weisen ihn als Meister aus.
Meditativ ist das Video „Baumfall/Scioto River“ (2018), das ans Ende des Kreuzganges platziert ist. Die große Leinwand mit den zahlreichen Grüntönen und der Geräuschkulisse aus dem Wald hat eine meditative Komponente – bis der Ast bricht. Im Hof schließlich kann man im Hof einen großen Digitaldruck auf Mesh sehen, der auch als Pigmentdruck nach einer Monotypie ausgestellt ist. In dem Werk „Bach“ , das mit Buchstaben und einer Sinnsequenz arbeitet, wird die Philosophie des Künstlers deutlich: „In der Nacht/sitz ich am Bach/und guck weit/in die Welt.“
Elisabeth Mehrl
Elisabeth Mehrl ist die dritte Künstlerin der Schau. Die Oberbayerin, die bei Rosenheim lebt, hat Bildende Kunst und Kunstgeschichte in München studiert. In dieser Schau zeigt sie sich als akkurate, fotorealistische Malerin. Originell sind ihre meist zweiteiligen Bilder, in denen sie edlen Schmuck mit geometrischen Formen (Streifen, Gitter, Karo) kombiniert, dabei immer die Farben des Schmucks aufnimmt. „Grammatik des Schönen“ nennt die Künstlerin diese Reihe. Schönheit als Programm – das findet man in der aktuellen Kunst, auch wenn sie Schönheit zeigt, eher selten. Danke für das mutige Statement!
Auch ihre Installation „Optatum“ (Holz, rosafarbene Vorhänge, Glasvitrine mit Fell) hat etwas mit Ästhetik und Philosophie zu tun. Sie baut ein heimeliges Kabinett, benennt es lateinisch, was auf Deutsch „frommer Wunsch oder Träumerei“ heißt, und überlässt es dem Betrachter, seine Träume zu entwickeln. Eine witzige Idee.
Gar nicht so witzig ist, dass man keinerlei Hinweis auf die Künstlerin und den Titel findet, ebenso bei ihrer markanten Installation „Immer und alles“ (2021); bei Kempes Video sieht man irgendwo ein Nümmerchen am Boden liegen, das ohne Brille gar nicht zu finden ist, wie die Besucherin, die ich schon am Eingang erwähnt hatte, feststellt. Sie kommt auch mit dem Nummerierungssystem des Infoblattes nicht zurecht.
Dieses Mal sind ja nicht mal die Räume benannt, wo man welchen Künstler findet! Für jemand, der nicht ein „alter Hase“ im Kunstverein ist, zudem die Künstler und Werke nicht rasch zuordnen kann, ist das mühsam und macht gar keine Freude.
Keine Freude kann dies auch den Künstlern machen! Denn kaum ein Besucher sucht nach den unsystematisch angebrachten kleinen Zahlen, die man dann am Blatt erst mühsam suchen muss, um die Werke einem Künstler zuzuordnen oder die Titel, Techniken etc. zu erfahren.
Diese vor Jahren – wohl aus Bequemlichkeit – eingeführten minimalsten Hinweise werden nicht mal dem Mindeststandard eines Ausstellungshauses gerecht. Jeder Betrachter und auch jeder Künstler hat das Anrecht auf ein gut lesbares Schild, das Künstler, Werk, Technik und Entstehungsjahr ausweist. Man kann nur neues Publikum gewinnen, wenn man die Schwellenangst nimmt und grundlegende Info an die Hand gibt. Nur so kann man auch neue Mitglieder für den Kunstverein gewinnen.
Wie sagte die mir unbekannte Besucherin an der Tür: „Wenn alle Museen einen Besuch so mühsam machen würden, würde ich in keine Ausstellung gehen.“
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Bis 25. November, geöffnet Di. bis So., 14 bis 17.30 Uhr